"Ich habe gar keinen richtigen Pass. Ich weiß nicht, wie alt ich bin, und ich glaube, ich bin noch ganz jung."
Die Gouvernante Charlotta Iwanowna in Anton Tschechows "Kirschgarten"
(kp) Zuletzt aktualisiert im August 2023
Der Ukraine-Krieg und die offizielle Aufnahme aller EU-Länder in eine Liste "unfreundlich gesonnener Staaten" haben bislang keine spürbaren Auswirkungen auf die Visavergabe für gewöhnliche Reisende. Im Gegenteil: Seit Anfang August 2023 können auch EU-Bürger unter bestimmten Voraussetzungen für Kurzbesuche relativ unbürokratisch ein E-Visum beantragen, ohne ihren Pass dafür vorab in einem russischen Konsulat einzureichen.
Russland hat 2022 alle coronabedingten Reisebeschränkungen für Ausländer aufgehoben. Die Einreise ist grundsätzlich wieder auf dem Land-, Luft-, Wasser- oder Schienenweg zulässig. Impfungen oder ein negativer PCR-Tests müssen nicht vorgelegt werden.
Einfach im Internet einen Flug buchen und losfliegen, das geht im Fall einer Reise nach Russland leider nicht. Und für alle, die auf dem Landweg unterwegs sind, wird es sogar noch etwas komplizierter. Die Bürger der meisten Länder der Welt benötigen nach wie vor ein Visum für einen Russland-Besuch - es sei denn, man besitzt einen Reisepass aus einem der GUS-Mitgliedsstaaten. Auch die meisten Lateinamerikaner sowie Israelis, Serben, Südkoreaner, Südafrikaner und Bürger einiger anderer Staaten dürfen visafrei nach Russland.
Alle anderen müssen sich in der Regel vor der Abfahrt einen solchen schicken Sticker in den Reisepass kleben lassen.
Um ein Visum zu erhalten, ist eine Einladung aus Russland erforderlich. Wer mit einer organisierten Gruppe unterwegs ist, muss sich darüber keine Gedanken machen. Einzelreisende wenden
sich am besten an ein spezialisiertes Reisebüro oder einen Visadienst, die diese Einladung für eine geringe Gebühr besorgen und auch den Pass einreichen und wieder abholen. Ein guter
Visadienst stellt seinen Kunden dabei auch eine Anleitung für den Visumantrag zur Verfügung.
Ein Touristenvisum für eine oder zwei Einreisen mit 30 Tagen Gültigkeit ist auf diese Weise meist völlig problemlos erhältlich. Kostenpunkt für Visum, Agentur und Einladung: ab ca. 90 -
100 Euro. Seit Beginn des Ukraine-Krieges sind die Preises gestiegen - 130-150 Euro sollten eingeplant werden.
Als Antragsteller selbst zu einem russischen Konsulat oder einem russischen Visa-Center zu gehen, lohnt sich nicht, es sei denn, man wohnt in direkter Nachbarschaft und legt außerdem Wert darauf, einen kleinen Kulturschock schon vor der Abreise zu erleben. Auch der Aufwand für Freunde oder Verwandte, vor Ort , eine offizielle Privateinladung zu besorgen, ist unverhältnismäßig hoch.
Reisende aus bestimmten Staaten (darunter die Bürger aller EU-Mitgliedsländer) können seit August 2023 für maximal 60-tägige Aufenthalte in Russland auch ein E-Visum beantragen - unabhängig davon, ob es
sich ein eine private, eine touristische oder eine geschäftliche Reise handelt. Nach Ausfüllen eines Online-Antrags soll im Regelfall innerhalb weniger Tage per Email eine Visum-Zusage
an den Antragsteller gesandt werden, die Notwendigkeit, den Reisepass mit einer offiziellen Einladung bei einem Konsulat oder einem offiziellen Visumzentrum einzureichen, entfällt. Das
E-Visum ist russlandweit gültig und für Bürger von weltweit insgesamt 55 Staaten verfügbar. Nicht erhältlich ist es beispielsweise für US-Amerikaner und Briten.
Es gelten aber einige Einschränkungen, so können bislang noch nicht alle Grenzübergänge für die Einreise genutzt werden - allerdings sind alle großen Flughäfen und die wichtigen Straßengrenzübergänge zu den westlichen Nachbarstaaten auf der Liste.
Alle Details zum Thema E-Visa findet Ihr auf einer eigenen Unterseite dieses
Blogs.
An allen russischen Grenzübergängen findet eine gründliche Kontrolle statt. Die russischen Grenzschützer und Zöllner verhalten sich Ausländern gegenüber nach meiner Erfahrung stets korrekt, wenn auch nicht immer übermäßig freundlich.
Am unkompliziertesten läuft das in der Regel an den großen Flughäfen ab. Dort kommt es nur selten vor, dass der Zoll einen Blick in das mitgebrachte Gepäck werfen will. Wer Glück hat, kann in Moskau in wenigen Minuten durch die Kontrolle kommen. Wenn kurz zuvor Großraumjets aus China oder Mittelasien gelandet sind, sieht das aber anders aus.
Bei Zugreisen in die Nachbarstaaten kommt es an den Grenzbahnhöfen in der Regel zu mindestens einstündigen Aufenthalten auf jeder Seite der Grenze, die ebenfalls zu eingehenden Kontrollen genutzt werden. Ausnahme waren die 2022 dauerhaft eingestellten Allegro-Schnellzüge zwischen Sankt Petersburg und Helsinki, in denen alle Kontrollen während der Fahrt stattfinden.
An den Straßengrenzen kann es zu längeren Wartezeiten kommen. Reisebusse und Pkws müssen oft den Kofferaum leer räumen und das Gepäck dann in einem Zollterminal durchleuchten lassen.
An Grenzen mit wenigen Reisenden aus dem Westen, etwa im Kaukasus, kommt es häufiger auch zu Befragungen nach Ziel und Reiseroute. Selbst erlebt haben wir das am Grenzübergang Werchni Lars (Russland/Georgien).
Für Fußgänger sind die meisten russischen Grenzübergänge gesperrt. Zu den wenigen Orte, an denen die Einreise nach Russland zu Fuß erlaubt wird, zählt die
Brücke zwischen Narva (Estland) und Iwangorod (Foto oben).
Aufgrund der zuletzt wegen des Ukraine-Krieges massiv verschlechterten Beziehungen zwischen Russland und seinen westlichen Nachbarländern wurden auf deren Betreiben seit 2022 zahlreiche
Grenzübergänge geschlossen. Dies betrifft beispielsweise die Region Kaliningrad.
Gegenwärtig sind bei der Anreise nach Russland auf dem Landweg Besonderheiten an den Grenzen zu einigen der Nachbarländer zu beachten:
Wie das neue Einreise-Verfahren für Kurzbesuche funktioniert
Die Einführung des landesweit gültigen E-Visums für Russland-Reisende aus über 50 Staaten war schon Jahre vor dem Start im August 2023 angekündigt,
aber wegen Coronavirus-Krise und dem nahezu nahtlos anschließenden Beginn der Ukraine-Krieges mehrfach verschoben worden. Mittlerweile haben viele Reisende Erfahrungen mit dem
E-Visa-Antragsverfahren gemacht, auch ich bin im Februar 2024 zum ersten Mal damit
nach Moskau geflogen. Es macht tatsächlich vieles einfacher, hat aber auch seine Tücken.
Anfang März 2024 hat das Auswärtige Amt in Berlin seine "Reise- und Sicherheitshinweise für Russland" nochmals verschärft. Wegen der angeblichen Gefahr "willkürlicher Festnahmen" wird von Reisen in das größte Land der Welt nicht mehr nur abgeraten, sondern "dringend abgeraten". Zahlreiche Medien griffen das Thema auf, und innerhalb von wenigen Stunden nach meiner Rückkehr von einer Reise zu Familie und Freunden ins winterliche Russland meldeten sich etliche deutsche Bekannte, ehrlich erleichtert, dass ich in Moskau nicht in Geiselhaft genommen wurde. Die "Sicherheitshinweise" aus Berlin verunsichern momentan viele - dabei sind sie voller Fehler und folgen in manchen Punkten eher ideologischem Schubladendenken als den Fakten.
Die östlichen EU-Mitgliedsstaaten stopfen nach und nach die letzten Löcher ihres neuen Eisernen Vorhangs zwischen Russland und dem restlichen Europa. Kurz nach Jahreswechsel gab Finnland bekannt, dass die über 1.300 Kilometer lange Landgrenze zum neuerdings verfeindeten Nachbarn komplett geschlossen bleiben soll (S. z.B. YLE, Englisch) - vorerst bis Mitte Februar.
Innenministerin Mari Rantanen von der Rechtsaußen-Partei "Die Finnen" begründete den Schritt mit der "nationalen Sicherheit". Für Russland-Reisende ist die andauernde Grenzblockade durch die finnischen Behörden eine mittlere Katastrophe: Bis Ende 2023 war die Route über die russisch-finnische Grenze für diejenigen, die die EU noch passieren ließ, einer der unkompliziertesten.