"Ich habe gar keinen richtigen Pass. Ich weiß nicht, wie alt ich bin, und ich glaube, ich bin noch ganz jung."
Die Gouvernante Charlotta Iwanowna in Anton Tschechows "Kirschgarten"
(kp) Zuletzt aktualisiert im Oktober 2022
Russland hat im Sommer 2022 die coronabedingten Reisebeschränkungen für Ausländer aufgehoben. Die Einreise ist grundsätzlich wieder auf dem Land-, Luft-, Wasser- oder Schienenweg zulässig. Die Pflicht zur Vorlage eines negativen PCR-Tests entfiel bei Ausländern im Oktober 2022 ebenfalls.
Die offizielle Aufnahme aller EU-Länder in eine Liste "unfreundlich gesonnener Staaten" hat
bislang keine spürbaren Auswirkungen auf die Visavergabe für gewöhnliche Reisende.
Einfach im Internet einen Flug buchen und losfliegen, das geht im Fall einer Reise nach Russland leider nicht. Und für alle, die auf dem Landweg unterwegs sind, wird es sogar noch etwas komplizierter. Die Bürger der meisten Länder der Welt benötigen nach wie vor ein Visum für einen Russland-Besuch - es sei denn, man besitzt einen Reisepass aus einem der GUS-Mitgliedsstaaten. Auch die meisten Lateinamerikaner sowie Israelis, Serben, Südkoreaner, Südafrikaner und Bürger einiger anderer Staaten dürfen visafrei nach Russland.
Alle anderen müssen sich in der Regel vor der Abfahrt einen solchen schicken Sticker in den Reisepass kleben lassen.
Um ein Visum zu erhalten, ist eine Einladung aus Russland erforderlich. Wer mit einer organisierten Gruppe unterwegs ist, muss sich darüber keine Gedanken machen. Einzelreisende wenden
sich am besten an ein spezialisiertes Reisebüro oder einen Visadienst, die diese Einladung für eine geringe Gebühr besorgen und auch den Pass einreichen und wieder abholen. Ein guter
Visadienst stellt seinen Kunden dabei auch eine Anleitung für den Visumantrag zur Verfügung.
Ein Touristenvisum für eine oder zwei Einreisen mit 30 Tagen Gültigkeit ist auf diese Weise meist völlig problemlos erhältlich. Kostenpunkt für Visum, Agentur und Einladung: ab ca. 90 -
100 Euro, seit Beginn des Ukraine-Krieges sind die Preises gestiegen - 130-150 Euro sollten eingeplant werden.
Als Antragsteller selbst zu einem russischen Konsulat oder einem russischen Visa-Center zu gehen, lohnt sich nicht, es sei denn, man wohnt in direkter Nachbarschaft und legt außerdem Wert darauf, einen kleinen Kulturschock schon vor der Abreise zu erleben. Auch der Aufwand für Freunde oder Verwandte, vor Ort , eine offizielle Privateinladung zu besorgen, ist unverhältnismäßig hoch.
Achtung: Die E-Visa wurden während der Coronavirus-Pandemie ausgesetzt, nach Beginn des Ukraine-Krieges 2022 bislang auch nicht wieder angeboten.
Seit Juli 2019 gab es für alle EU-Bürger eine Neuerung, die dem visafreien Reisen zumindest sehr nahe kam: Für Besuche in Russlands westlichster Region, der Exklave Kaliningrad, wurden kostenlose E-Visa ausgegeben, die im Internet mit minimalem Aufwand beantragt werden konnten. Im Oktober 2019 wurde die Regelung zu vergleichbaren Konditionen auch für St. Petersburg und Umgebung eingeführt. Bis zu acht Tage durften Besucher damit im früheren nördlichen Ostpreußen bzw. in St. Petersburg und im umliegenden Leningrader Gebiet bleiben, Weiterreisen in andere Regionen Russlands sind unzulässig. Eine ähnliche Regelung galt auch für die russische Fernostregion, zielte dort aber eher auf Touristen aus Ostasien.
Der Start des landesweiten E-Visums für Aufenthalte von maximal 16 Tagen - der Russland-Reisen so einfach machen sollte wie noch nie - war für Anfang 2021 angekündigt worden, wurde wegen der Coronavirus-Pandemie aber auf unbestimmte Zeit verschoben.
An allen russischen Grenzübergängen findet eine gründliche Kontrolle statt. Die russischen Grenzschützer und Zöllner verhalten sich Ausländern gegenüber nach meiner Erfahrung stets korrekt, wenn auch nicht immer übermäßig freundlich.
Am unkompliziertesten läuft das in der Regel an den großen Flughäfen ab. Dort kommt es nur selten vor, dass der Zoll einen Blick in das mitgebrachte Gepäck werfen will. Wer Glück hat, kann in Moskau in wenigen Minuten durch die Kontrolle kommen. Wenn kurz zuvor Großraumjets aus China oder Mittelasien gelandet sind, sieht das aber anders aus.
Bei Zugreisen in die Nachbarstaaten kommt es an den Grenzbahnhöfen in der Regel zu mindestens einstündigen Aufenthalten auf jeder Seite der Grenze, die ebenfalls zu eingehenden Kontrollen genutzt werden. Ausnahme sind die modernen Allegro-Schnellzüge zwischen Sankt Petersburg und Helsinki, in denen alle Kontrollen während der Fahrt stattfinden.
An den Straßengrenzen kann es zu längeren Wartezeiten kommen. Reisebusse und Pkws müssen oft den Kofferaum leer räumen und das Gepäck dann in einem Zollterminal durchleuchten lassen.
An Grenzen mit wenigen Reisenden aus dem Westen, etwa im Kaukasus, kommt es häufiger auch zu Befragungen nach Ziel und Reiseroute. Selbst erlebt haben wir das am Grenzübergang Werchni Lars (Russland/Georgien).
Für Fußgänger sind die meisten russischen Grenzübergänge gesperrt. Zu den wenigen Orte, an denen die Einreise nach Russland zu Fuß erlaubt wird, zählen die
Brücke zwischen Narva (Estland) und Iwangorod (Foto oben) und die Brücke über die Memel zwischen Sowjetsk (Tilsit) und Litauen.
Gegenwärtig sind bei der Anreise nach Russland auf dem Landweg Besonderheiten an den Grenzen zu einigen der Nachbarländer zu beachten:
Die russische Staatsduma hat ein Regierungsabkommen mit dem Nachbarland Weißrussland (Belarus) ratifiziert, das in absehbarer Zukunft Drittstaatsangehörigen wieder eine Reise über die russisch-weißrussische Landgrenze ermöglicht. Außerdem ist darin die gegenseitige Anerkennung von Visa des jeweils anderen Landes enthalten (Quelle z.B. Belta, Russisch). Für Westeuropäer bedeutet dies, dass sie in Kürze wieder beispielsweise mit dem eigenen Auto auf dem direkten Landweg von Berlin oder Warschau aus über Minsk nach Moskau reisen können - und dafür wahlweise ein russisches oder weißrussisches Visum ausreicht. Ein aufwendiger Umweg über Lettland oder Estland wird damit verzichtbar.
Mehr als zwei Jahre nach dem Ausbruch der weltweiten Corona-Krise gestattet Russland Ausländern wieder die Ein- und Ausreise auf dem Landweg. Eine seit 2020 geltende Vorschrift, die von Ausnahmen abgesehen eine Anreise mit dem Flugzeug zur Pflicht machte, soll zum 15. Juli auslaufen, teilten russische Medien mit (z.B. RBK). Damit könnten noch in diesem Sommer wieder alle regulär geöffneten Grenzübergangsstellen auch ohne Sondergenehmigung genutzt werden. Die Verpflichtung, bei der Einreise einen aktuellen, negativen PCR-Test vorzuweisen, bleibt für alle Reisenden ohne russischen oder weißrussischen Pass vorerst jedoch bestehen. Dennoch wäre die überfällige Lockerung der Anti-Corona-Bestimmungen an den Grenzen ein echter Segen.