"Ich habe jetzt ein für alle Mal verstanden, dass mein Traum, mich für den Rest des Jahrhunderts in einem russischen Dorf niederzulassen, keine vorübergehende Laune ist, sondern das wahre Bedürfnis meines Wesens."
Pjotr Tschaikowski (1840-1893), russischer Komponist
Klin im Nordwesten des Moskauer Verwaltungsgebiets ist trotz seiner langen und bewegten Geschichte eigentlich kein außergewöhnlicher Ort. Berühmt wurde die Stadt durch einen ihrer Bürger: Der Komponist Pjotr Tschaikowski verbrachte in der Nähe der damals beschaulichen Stadt die letzten letzten Lebensjahre in verschiedenen Landhäusern. Sein letzter Landsitz am heutigen Stadtrand wurde bereits 1894, im Jahr nach seinem Tod, zu einem Museum umgewandelt. Bis heute bilden Tschaikowski-Fans und andere Liebhaber klassischer Musik einen Großteil der auswärtigen Besucher in Klin.
Klin entstand Anfang des 14. Jahrunderts als befestigte Siedlung und war anfangs Teil des Fürstentums Twer. Einen Aufschwung erlebte die Kleinstadt im 18. Jahrhundert nach der Gründung von St. Petersburg - hier entwickelte sich ein wichtiger Zwischenstopp für Postkutschen und Reisende auf dem Weg zwischen der alten und der neuen Hauptstadt. Später siedelten sich auch zunehmend Industriebetriebe in der Stadt an. Am bekanntesten ist heute vermutlich die Brauerei, die die Biermarke "Klinskoje" herstellt.
Im Zentrum von Klin gibt es noch einige Straßen mit Architektur aus vorrevolutionären Zeiten, vor allem rund um die einstigen Handelsreihen und den Sowjet-Platz (Sowjetskaja Ploshshad). Der einst größte Blickfang der Stadt, die große Dreifaltigkeitskathedrale von 1836, ist als Gotteshaus nicht mehr zu erkennen. Sie wurde nach der Oktoberrevolution zum Kulturhaus umgebaut, aber inzwischen wieder an die orthodoxe Kirche zurückgegeben. Etwa 500 Meter in nordöstlicher Richtung vom zentralen Platz befindet sich noch die sehr hübsche Entschlafenskirche (Uliza Papiwina 16a) aus dem 16. Jahrhundert. Bei unserem letzten Besuch in der Stadt wussten wir noch nicht, dass es in Klin auch ein Museum für Weihnachtsbaum-Schmuck gibt (Musej jolotschnych ukraschenij, Adresse: Uliza Starojamskaja 4).
Aber der wichtigste Grund für einen Besuch in Klin bleibt natürlich das Tschaikowski-Haus am Rand der Stadt. Der Ausnahme-Komponist hatte sich hierher zurückgezogen, um
ungestört vom hektischen Stadtleben arbeiten zu können. Durch die Lage an der damals bereits bestehenden Eisenbahnlinie konnte er zugleich bei Bedarf schnell in die beiden Metropolen
reisen.
In dem bis heute erhaltenen Wohnhaus lebte Tschaikowski ab Mai 1892. Hier beendete er unter anderem die Arbeit am "Nussknacker" und schrieb die Sinfonie Nr. 6 "Pathétique", die
wenige Tage vor seinem Tod in St. Petersburg uraufgeführt wurde.
Nach Tschaikowskis Tod kümmerte sich sein jüngerer Bruder Modest darum, dass aus dem Anwesen ein Museum werden konnte. Bis heute befindet sich dort der persönliche Nachlass der
Komponisten mit der Original-Einrichtung aus dem Jahr 1893. Auf dem Museumsgelände befinden sich außerdem mehrere später gebaute Ausstellungssäle und ein Konzertsaal. Bekannte Pianisten
spielen sogar an Tschaikowskis eigenem Flügel, unter anderem an seinem Geburtstag (7. Mai).
Das Museum Tschaikowski-Haus (Uliza Tschaikowskogo 48) ist montags und dienstags sowie von Freitag bis Sonntag jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis für Ausländer
beträgt 550 Rubel (umgerechnet ca. 8 Euro).
Klin liegt an der Hauptstraße und der Eisenbahnlinie, die Moskau mit Twer und
Sankt Petersburg verbinden. Einen Tagesausflug aus Russlands Hauptstadt dorthin zu unternehmen, ist nicht schwer. Tagsüber
fahren vom Leningrader Bahnhof in Moskau aus täglich regelmäßig Regionalexpress-Züge der Linien Moskau-Twer und Moskau-"Konakowo GRES" nach Klin. Die Fahrt dauert rund eine Stunde und
kostet in einfacher Richtung umgerechnet weniger als 5 Euro. Außerdem gibt es eine Vielzahl langsamerer Züge, die fast doppelt so lange brauchen und im Gegenzug etwas günstiger
sind.
Es verbinden auch Linienbusse Klin mit der Moskauer Metro-Station "Wodny Stadion" (Nr. 437) im Nordwesten der Hauptstadt, aber die Strecke ist für ihre Staus berüchtigt und
die Fahrtzeit kann stark variieren.
In Klin selbst beträgt die Entfernung vom Bahnhof bis zum Museum rund drei Kilometer, und der direkte Weg, überwiegend entlang von Hauptstraßen, ist nicht besonders schön. Daher nehmt ihr besser einen Bus (Nr. 18, 30, 37, 40) oder ein Sammeltaxi. Die Moskauer Busse stoppen auch direkt am Museum.
Wer nach dem Besuch in Tschaikowskis guter Stube noch nicht genug hat von berühmten Russen, kann 20 Kilometer östlich von Klin in dem Dörfchen Boblowo einen weiteren Landsitz besichtigen.
Hier lebte nämlich der Chemiker Dmitri Mendelejew (1834-1907) im Verlauf von fast 40 Jahren während der Sommermonate. In seinem einstigen, recht bescheidenen Haus befindet sich
ebenfalls ein Museum mit persönlichen Gegenständen und Informationen über den Gelehrten, der die Gesetzmäßigkeiten des Periodensystem der Elemente entdeckte.
Vom Busbahnhof in Klin verkehren täglich einige Busse in das Dorf (Nr. 22 und 42).