"In Russland sind 100 Gramm noch kein Wodka, 100 Kilometer - keine Entfernung und 100 Jahre - kein Alter."
Russisches Sprichwort
Für Bundesbürger, Schweizer oder Österreicher ist es ganz normal, nach London zu fliegen, an die Adria oder auf die Kanarischen Inseln. Aber nach Moskau? Nach Karelien oder gar in den Kaukasus? Das gilt mindestens als außergewöhnlich, als mutig oder gar verwegen. Russland ist eben noch immer kein ganz normales Urlaubsland. Dazu haben die Russen selbst einiges beigetragen: Viele interessante Gegenden waren lange für Ausländer gesperrt, spontane individuelle Reisen durch die Sowjetunion, geschweige denn Übernachtungen bei Privatleuten für Westeuropäer - praktisch verboten. Aber das ist zum Glück Vergangenheit - auch, wenn die Visapflicht bis heute leider eine gewisse Hürde darstellt. Und es gibt eben auch viele gute Gründe, die Russische Föderation als Besucher kennenzulernen. Wir haben da mal ein paar zusammengestellt:
Russlands endlose Straßen, Wälder und Flüsse sind ein Erlebnis für sich. Dass die nächste Autobahnauffahrt, der nächste Flughafen und die nächste Großstadt nicht eben mal um die Ecke liegen, sondern wirklich richtig weit weg sein können, ist eine für Mitteleuropäer völlig neue Erfahrung. Von der südrussischen Steppe und der Taiga in Sibirien ganz zu schweigen. In Russland kann wilde Natur noch wirklich wild sein.
Die russische Gastfreundschaft ist mehr als ein Klischee. Wer Russland mit ein wenig Offenheit besucht, wird schnell Bekanntschaften schließen und vielleicht auch Freunde finden.
In der "Provinz"
begegnen viele Menschen Ausländern mit Interesse und Neugierde. Eine gewisse Ruppigkeit im Alltag sollte nicht abschrecken - gespielte Höflichkeiten mögen die Russen nicht so gern.
Mag die Sowjetunion auf dem Schrottplatz der Geschichte gelandet sein - noch immer ist Russland ein Sammelsurium der Völkerschaften und Kulturen. Das wird vor allem an den Rändern des Riesenreichs deutlich: Im Nordkaukasus, im südlichen Sibirien, aber auch in Teilen der Wolga-Region. Neben russisch-orthodoxen Traditionen gehören auch Islam und Buddhismus zu Russland.
In Russland ist Winter noch echter Winter. Wer dem grauen Regenhimmel in Mitteleuropa entkommen will, hat in Russland beste Chancen auf eine wirklich frostige Zeit mit Schnee, Eiszapfen und allem Drum und Dran. Mit der richtigen Kleidung im Gepäck sind die Wintermonate eine tolle Zeit, um das Land zu entdecken, auch, wenn das Thermometer mal auf unter 20 Grad minus sinkt.
Russland hat etliche Museen und Theater von Weltruf. Eremitage und Tretjakow-Galerie, Bolschoi-Ballett und Mariinski-Theater beeindrucken jeden Besucher. Aber selbst in vielen kleineren Städten gibt es eine überraschend vielfältige Kunst- und Kulturszene mit Konzerten und Ausstellungen auf hohem Niveau - von Klassik bis Avantgarde wird fast alles geboten.
Für Eisenbahn-Fans gibt es kaum ein besseres Reiseziel als Russland. Bequeme Schlafwagenzüge durchqueren das ganze Land von der Ostsee zum Pazifik und vom Polarkreis bis zum Schwarzen Meer. Wer keine Zeit für die ganz große Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn hat, kann auch auf kürzeren Strecken einen Eindruck vom Land gewinnen. Mindestens 1.000 Kilometer sollten es sein, sonst lohnt es sich nicht.
Egal, ob Borschtsch, Chatschapuri oder Plow - Kulinarisch lebt die Sowjetunion in Russland weiter. Ukrainische oder usbekische Lokale gibt es vielerorts. Die - in Deutschland nahezu unbekannte - georgische Küche lässt erst recht keinen
gleichgültig. Aber auch die Russen haben erstaunlich viel zu bieten, wenn es ums Kochen geht. Vor allem bei den Suppen macht ihnen niemand so schnell etwas vor.
Möglicherweise klingt das jetzt etwas paradox, schließlich ist Russland im Westen eher nicht bekannt als Hort politischer
Freiheit. Für Entdeckungsreisen durch die Weiten Russlands gelten hingegen kaum Regeln. Jeder darf wandern, wo er will, sein Zelt aufstellen, wo er mag, und obendrein noch angeln ohne Angelschein. Lediglich in Naturreservaten und Grenznähe gilt es, sich nach Beschränkungen zu erkundigen.
Spätestens ab dem Jahr 2000 war Russland alles andere als ein günstiges Reiseland. Dann kam der Sommer 2014, der Verfall der Erdölpreise drückte den Rubel in den Keller und auf einmal kostete im Land für Besucher aus dem Westen alles nur noch die Hälfte. Inzwischen hat sich die Währung wieder erholt, die Preise ziehen langsam an, aber noch immer ist ein Besuch relativ preiswert.
(kp, 2017)
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