"Er liebte Hostels und mochte keine Hotels. Im Hostel kocht immer das Leben. Im Hotel schlafen müde Leute sich nach einem anstrengenden Tag aus. Oder sie betrinken sich nach einem anstrengenden Tag. Oder sie bringen ein junges Ding mit, um nach einem anstrengenden Tag Spaß zu haben. Übrigens hängen sich die Leute immer in Hotels auf. Haben Sie je gehört, dass jemand sich im Hostel erhängt hat?" 


Maria Galina (1958- ), russische Schriftstellerin, in "Die Autochthonen"

 

Bauwagen, Kreml, Bergarbeiter-Sanatorium - Ungewöhnliche Unterkünfte in Russland

Irgendwo in Russland eine vernünftige Unterkunft zu finden - das war noch nie einfacher als heute. Auch in der tiefen Provinz gibt es Hotels, Hostels, Zimmer in Erholungsheimen oder Ferienwohnungen zu mieten. Wem das alles aber zu langweilig ist, der kann mittlerweile auch an vielen ausgefallenen Orten unterkommen - in den Gästezimmern von Klöstern und Nationalparks, auf Jurten-Campingplätzen und Hausbooten in der Wolga oder im Kapsel-Hotel auf einem der Moskauer Flughäfen. Wenn wir in Russland unterwegs sind, wohnen wir meist in kleinen familiär geführten Hotels - oft sehr gemütlich, aber meist nicht wirklich spektakulär. Von einigen ziemlich exotischen Unterkünften können wir allerdings inzwischen auch schon berichten.

Orenburger Sapowednik Оренбургский заповедник кордон сармат
Kleiner Außenposten in der unendlichen Weite der Steppe - Der Kontrollpunkt "Sarmat"

1. Ein Bauwagen am "Kordon Sarmat" - Übernachten in der Steppe

Bauwagen im Naturreservat Orenburgski
Nicht luxuriös, aber in spektakulärer Lage: Gäste-Wagen in der Orenburger Steppe

Auf die Frage nach unserer bislang exotischsten Unterkunft Russland müssen wir nicht lange nachdenken: Im Sommer 2017 konnten wir auf unserer Rundreise durch die südliche Uralregion eine Nacht im Orenburger Naturreservat verbringen - inmitten der riesigen menschenleeren Steppe. 

Der Orenburger Sapowednik umfasst mehrere Teilgebiete, darunter ein streng geschütztes Areal für die Wiederansiedlung der seltenen Przewalski-Pferde. Russland sieht in dieser Gegend aus, wie man sich die Mongolei vorstellt: Endlose leicht hügelige Ebenen. Auf einer der höchsten Anhöhen befindet sich der Kontrollposten "Kordon Sarmat", wo aus in nahezu allen Richtungen jeder Mensch im Umkreis von über zehn Kilometern zu sehen ist.

Als wir dort unsere spartanische Unterkunft in einem blauen Bauwagen bezogen, stieg die Zahl der Menschen in dem 16.500 Hektar großen Reservat gleich auf mehr als das Doppelte an: Gewöhnlich leben in einem benachbarten runden Pavillon mit riesigen Panorama-Fenstern nämlich nur genau zwei Personen - Ranger und Wildpferde-Experten. 

Niemand kann das Schutzgebiet mit den ausgewilderten Przewalski-Pferden einfach so besuchen: Das geht nur mit Passierschein der Reservatsverwaltung im 120 Kilometer entfernten Orenburg. Dort gibt es allerdings sogar eine eigene, sehr engagierte Abteilung für Ökotourismus. 

Sonnenuntergang in der russischen Steppe bei Orenburg
Sonnenuntergang am Kontrollpsten "Kordon Sarmat"

Auf Wunsch organisieren die Mitarbeiter eine Exkursion mit fachkundiger Führung zu den Wildpferden - oder eben auch eine Übernachtung. Für maximal acht Personen gibt es in dem Bauwagen vier Stockbetten. Gäste können einen Grillplatz und ein Duschhäuschen benutzen, dessen Wasser von der Sonne erhitzt wird. Alles zum Leben Nötige inklusive dem Trinkwasser muss man aber selbst mitbringen.

 

Obwohl die Gegend - abgesehen von den Pferden - auf den ersten Blick ein wenig eintönig aussieht, gibt es rund um den Ranger-Posten eine Menge zu entdecken: Große gelbbraune Murmeltiere und Ziesel, dazu gelegentlich am Himmel Steppenadler und andere Greifvögel.

 

Abends sind überall ringsum die Laute der kleinen Pfeifhasen zu  hören, die an den Gesang von Nachtigallen erinnern. Dazu gibt es nachts einen grandiosen Sternenhimmel wie auf dem Ozean - ganz ohne störende Lichtquellen.


2. Eine Kammer im Bojaren-Haus - Übernachten im Kreml

Kreml in Rostow-Weliki
Einmal im Kreml wohnen - in Russland kein Problem

Einmal im Kreml übernachten - das fänden sicherlich viele Russland-Reisende spannend. Leider sorgt der Sicherheitsdienst im Moskauer Kreml dafür, dass abends garantiert niemand auf dem Gelände bleibt, der dort nicht hingehört. Aber daran muss die Idee nicht scheitern, denn viele alte russische Städte haben ihren eigenen Kreml. Und in einem von ihnen - in Rostow Weliki - gibt es tatsächlich ein - leider eher einfaches - Hotel mitten auf dem Gelände des Kremls. Es befindet sich in einem alten Bojaren-Haus aus dem 17. Jahrhundert.

Die meisten Zimmer im "Dom na pograch", dem "Haus auf den Kellern", sind sowjetisch-altmodisch eingerichtet und haben nur ein Gemeinschaftsbad. Um ehrlich zu sein, waren sie so langweilig eingerichtet, dass wir nicht einmal Fotos vom Zimmer machten. Dafür kostet eine Nacht im Doppelzimmer aber keine 15 Euro!

 

Und die Möglichkeit, abends nach dem Ende der Öffnungszeiten praktisch allein über das spektakuläre Gelände zu spazieren, wiegen den eingeschränkten Komfort mehr als auf. Für uns ist das "Haus auf den Kellern" zweifellos einer der coolsten Orte, um bei einer Reise zu den Städten des Goldenen Rings eine Pause einzulegen.


3. All inclusive in der Tundra - Übernachten im Bergarbeiter-Hotel

Sanatorium Tirwas bei Kirowsk
Schwimmbad mit Bergblick, Sauna und Massage - Alles da im Sanatorium Tirvas

All-Insclusive-Hotelanlagen mit Wellness-Bereich, Schwimmbad, Sauna, Iss-so-viel-du-kannst-Buffet etc. erwartet man eher nicht jenseits des Polarkreises in der russischen Tundra. Das Hotel "Tirwas" am Rand der Chibinen-Berge im Gebiet Murmansk ist sicherlich eine Ausnahme. Es gehört wie so ziemlich alles in der Gegend um die Bergarbeiter-Stadt Kirowsk dem Bergbaukonzern "Fosagro", der in der Nähe Mineralien für die Dünger-Herstellung aus dem Gebirge sprengt.

Hochsaison im Tirwas ist der Winter, wenn hier viele Skifahrer absteigen. Aber auch bei unserem kurzen Aufenthalt auf unserer Rundreise durch Nordrussland im Sommer 2018 waren sehr viele Gäste hier, ließen sich ihre Wehwehchen mit Massagen oder Blutegel-Therapie behandeln. Manche verließen das Gelände des Sanatoriums während ihres teils mehrwöchigen Aufenthalts offenkundig überhaupt nicht. So modern große Teile der Anlage inzwischen umgebaut wurden, ist manches im Tirwas noch immer arg sowjetisch: Um das Schwimmbad nutzen zu können, müssen alle Gäste medizinische Unbedenklichkeits-Bescheinigungen ihrer Poliklinik vorlegen. Ausländer, die das nicht können, werden zur Untersuchung ins Büro der Sanatoriums-Chefärztin geschickt.

 

Während unseres Aufenthaltes wurde noch emsig und laut am neuen Außengelände des Sanatoriums gearbeitet. Es sah aber so als, als stünde diese großangelegte Verschönerung kurz vor dem Abschluss.



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