"Es ist genau richtig, in einer fremden Stadt morgens anzukommen. Egal, ob mit dem Zug oder mit dem Flugzeug. Der Tag beginnt dann wie mit einem weißen Blatt Papier."
Sergej Lukjanenko (1968- ), russischer Fantasy-Autor
Gefühlt liegt Russland sehr weit weg von Mitteleuropa. Und die meisten Russland-Reisenden werden deshalb vermutlich das Flugzeug wählen. Bei - je nach Abflugort - etwas über zwei bis dreieinhalb Stunden Flugzeit zwischen Deutschland und Moskau oder St. Petersburg wird allerdings deutlich, wie nah sich Deutsche und Russen auf der Weltkugel in Wirklichkeit sind. Der Rhein-Wolga-Kanal bevorzugt eigentlich die gemütliche Reise mit den Zügen der Russischen Staatsbahn, allerdings ist der Flieger meist wesentlich günstiger. Doch wer aus ökologischen Gründen oder wegen Flugangst nicht fliegen möchte, muss deshalb nicht auf Besuche in Russland verzichten. Achtung! Dieser Abschnitt wurde noch vor Beginn der Pandemie und des Ukraine-Kriegs geschrieben, ist nicht aktuell und steht vor allem aus nostalgischen Gründen noch im Netz! Aktuelle Informationen findet ihr HIER.
Flugreisende mit Ziel in Russland werden in der Regel zuerst auf einem der großen Flughäfen von Moskau oder St. Petersburg landen, und dann zu entfernteren Zielen mit einem
Inlandsflug weiterreisen. Direktflüge aus Westeuropa in andere Regionen Russlands gibt es nur vereinzelt.
Die Situation auf dem Markt ändert sich allerdings ständig, Fluggesellschaften kommen und gehen. Eine der wenigen Konstanten ist die staatliche russische Aeroflot, die einst
größte Airline der Welt.
Für ein Rückflugticket Deutschland - Moskau habe ich in den vergangenen Jahren je nach Saison und Vorlauffrist zwischen 170 und 350 Euro gezahlt. Während der Sommerferien
und Anfang Januar sind die Preise erfahrungsgemäß am höchsten.
In aller Regel verläuft die Einreise über die großen internationalen Flughäfen völlig problemlos. Befragungen nach Reiseziel und Route sind eher die Ausnahme. Auch der Zoll interessiert sich
meist nicht für das Gepäck westlicher Ausländer.
Ich warne gleich zu Beginn: Es ist nicht nur teuer, sondern es dauert auch recht lange. Doch wer die Fahrt nach Russland als Teil der Reise und nicht als verlorene Zeit betrachtet, wird es
trotzdem nicht bereuen, sich seinem Reiseziel auf dem Landweg zu nähern.
Für Zugreisende bieten sich drei Hauptrouten an: Durch Weißrussland (Belarus), die Ukraine oder via Skandinavien. Alle drei Routen haben Vor- und Nachteile. Es gibt sogar die
Möglichkeit, mit dem Linienbus nach Russland zu reisen (direkt via Weißrussland oder mit Umsteigen im Baltikum). Wir haben das vor 20 Jahren einmal ausprobiert und würden das
"Bus-Experiment" nicht freiwillig wiederholen.
Auf den ersten Blick spricht derzeit nicht allzu viel für eine Reise nach Moskau mit der Eisenbahn auf der kürzesten Route via Weißrussland: Die Fahrt
vom Rhein-Main-Gebiet nach Moskau dauert über 30 Stunden, von Berlin aus wurde das Tempo ab Dezember 2016 immerhin etwas angezogen - auf dann noch etwas über 20
Stunden. Eine Rückfahrkarte Frankfurt-Moskau kostet im günstigsten Fall 300 Euro - und somit meist deutlich mehr als ein Flug. Noch dazu ist die Strecke - das muss man ehrlich
sagen - landschaftlich nicht besonders spektakulär, und alle EU-Bürger brauchen auch noch ein Transitvisum für Weißrussland (das allerdings einfach per Post beantragt werden
kann, wenn im Pass bereits das russische Visum klebt).
Zu den Vorzügen einer solchen Anreise zählt zweifellos, dass die russische Staatsbahn RZD auf den Strecken nach Westeuropa seit einigen Jahren höchst moderne und bequeme Schlafwagen
einsetzt. Die Abteile verfügen jeweils über Scheckkarten-Schlösser und Klimaanlage, am Ende der Waggons gibt es eine Dusche. Und es ist wirklich stilvoll, wie in den Zeiten von
Orient-Express und Co quer durch Europa zu fahren. Reisen statt fliegen eben. Wer nicht mit dem Moskau-Berlin-Express unterwegs ist (der Räder mit verstellbarer
Breite), kann außerdem unterwegs im weißrussischen Grenzbahnhof Brest zuschauen, wie in einem aufwendigen Prozedere die Drehgestelle ausgetauscht werden.
Bedauerlicherweise sind die Bahnverbindungen zwischen Russland und dem Westen in den vergangenen Jahren drastisch abgebaut worden. Es ist noch nicht lange her, dass es sogar eine umsteigefreie
Verbindung von Berlin nach Nowosibirsk gab. Auch auf der Bahnstrecke von Kaliningrad/Königsberg Richtung Polen verkehrt derzeit kein einziger Personenzug. Geblieben sind für die Anreise aus
Deutschland die folgenden kläglichen Rest-Verbindungen (Stand: Fahrplan 2020):
1. Paris - Saarbrücken - Frankfurt a.M. - Berlin - Moskau: 1 x wöchentlich donnerstags ab Paris, dienstags ab Moskau Belorusskaja
2. Berlin - Moskau: 2x wöchentlich, samstags, montags ab Berlin, freitags und sonntags ab Moskau Belorusskaja
3. Deutschland - Warschau (Umsteigen) - Moskau-Belorusskaja oder Deutschland - Prag (Umsteigen) - Moskau-Belorusskaja: täglich
Möglich ist auch die Anreise aus Österreich mit dem wöchentlichen Nizza-Moskau-Express:
Nizza - Innsbruck - Linz - Wien - Moskau: 1x wöchentlich, sonntags abends ab Innsbruck oder montags am frühen Morgen ab Wien, donnerstags ab Moskau Belorusskaja
Nach wie vor gilt für westliche Ausländer, dass sie mit einer Mitfahrt prinzipiell zu Gesetzesbrechern werden: Die russischen Grenzschutzbehörden leisteten sich im Herbst 2016 einen nahezu unglaublichen Schildbürgerstreich: Zwischen Russland und Weißrussland gibt es schon seit fast 20 Jahren keine Grenzkontrollen mehr. Den Sicherheitsorganen war nun ganz plötzlich aufgefallen, dass Ausländer nach geltender Gesetzeslage lediglich über internationale Grenzübergänge ins Land einreisen dürfen, die es aber an der weißrussischen Grenze schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gibt. Die beiden eigentlich verbündeten Länder haben inzwischen ein Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der Visa des jeweils anderen Landes unterschrieben, das aber nicht nicht in Kraft getreten ist. Lange wurden Transitfahrten von Ausländern mit den durchgehenden Zügen aus Polen oder Deutschland toleriert, aber im Frühsommer 2018 gab es erstmals auch einen Bericht von einem Bahnpassagier, der in Smolensk aus dem Zug geholt und zurück nach Weißrussland geschickt wurde.
Siehe dazu auch im Rhein-Wolga-Bolg: Grenze Russland-Weißrussland bleibt für
Ausländer dicht (vom 10.1.2017)
und: Grenze Russland - Weißrussland: Es bleibt kompliziert (27.10.2018)
und auch: Russland und Weißrussland schließen Visaabkommen - fast (13.12.2018)
sowie zuletzt: Mini-Schengen zwischen Russland und Weißrussland rückt näher (19.6.2020)
Für Reisende mit genügend Zeit (und Geld) gibt es weitere interessante Wege nach Russland und zurück. Insbesondere für Reisen mit Ziel St. Petersburg kommt durchaus auch eine Route durch Skandinavien in Betracht.
Mit dem Zug geht es dabei von Hamburg aus über Kopenhagen nach Stockholm, von dort über Nacht mit einer Fähre von Viking oder Silja nach Turku oder Helsinki. Zwischen Helsinki
und St. Petersburg verkehrt mehrmals täglich der neue Allegro-Schnellzug, der für die Strecke nur noch dreieinhalb Stunden benötigt. Alternativ verkehrt täglich der Nachtzug "Leo
Tolstoi" von Helsinki nach Moskau.
In Ost-West-Richtung funktioniert diese Route besser, da nach einer Ankunft der Fähre in Stockholm am frühen Morgen eine Weiterfahrt noch etwas über Hamburg hinaus möglich ist.
Wer von Deutschland im Bogen über Skandinavien nach Russland aufbricht, wird meistens noch eine Zwischenübernachtung in Kopenhagen oder Stockholm einplanen müssen, um nicht Gefahr zu laufen,
seine Fähre zu verpassen. Auch Helsinki lohnt in jedem Fall einen Zwischenaufenthalt. Die touristischen Höhepunkte von Turku sind dagegen etwas weniger überwältigend.
Wer auf dem Landweg nach Russland reisen möchte, aber Weißrussland lieber umfahren will, kann auch über die Ukraine reisen. Die Strecke führt dann über Lemberg (Lwiw/Lwow) und Kiew nach
Moskau und ist von Mitteleuropa aus mehrere hundert Kilometer länger als der Weg durch Weißrussland.
Direkte Züge aus Mitteleuropa und Südosteuropa nach Russland (mit dem legendären Kurswagen Moskau -Thessaloniki)
verkehrten hier noch bis 2014, wurden dann aber komplett eingestellt. Aus dem deutschsprachigen Raum bieten sich zwei Routen an (Stand 2020):
1. Wien - Budapest - Kiew (Umsteigen) - Moskau: Es verkehren täglich bequeme Schlafwagen der ukrainischen Eisenbahn von Wien über Ungarn nach Kiew (Fahrtdauer ca. 24 Stunden).
Dort besteht Anschluss Richtung Moskau.
2. Berlin - Przemysl (Umsteigen) - Kiew (Umsteigen) - Moskau: Ebenfalls täglich verkehrt ein Nachtzug von Berlin bis in die ostpolnische Grenzstadt Przemysl, wo am Morgen
Anschluss Richtung Kiew besteht und Reisende abends noch den Nachtzug nach Moskau erreichen können.
Die Route über die Ukraine hat einige Vorteile: Es wird kein Transitvisum erforderlich, und mögliche Probleme mit der russisch-weißrussischen Grenze (s. oben) werden vermieden.
Landschaftlich ist vor allem die Durchquerung der Karpaten auf der südlich verlaufenden Strecke zwischen ungarischer Grenze und Lemberg interessant. Viele Städte auf dem Weg lohnen auch
definitiv einen längeren Zwischenstopp.
Aufgrund der aktuell noch immer sehr schlechten Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine gibt es immer wieder Forderungen ukrainischer Hardliner, nach dem eingestellten Flugverkehr auch alle
Zugverbindungen zu kappen. Dass dies tatsächlich geschieht, ist momentan eher unwahrscheinlich, kann aber tatsächlich nicht vollkommen ausgeschlossen werden.
Zuletzt aktualisiert: Dezember 2019
Während sich die EU-Staaten weiter gegen den ungeliebten großen Nachbarn im Osten abschotten, werden die Verbindungen zwischen Russland und dem Rest der Welt langsam wieder besser. Zahlreiche Fluggesellschaften bieten in ihren aktuellen Plänen neue Verbindungen aus der Türkei, den Staaten der früheren Sowjetunion und dem Nahen Osten, und zwar nicht nur nach Moskau, sondern auch in viele regionale Zentren. Und manche Angebote könnten sogar für Reisende aus dem Westen interessant sein, die seit 2022 in jedem Fall lange Umwege nehmen müssen. So hat etwa die arabische Billigfluggesellschaft Air Arabia neuerdings Verbindungen zwischen Wien und russischen Zielflughäfen im Angebot (Meldung Travel.ru, Russisch).
Anfang März 2024 hat das Auswärtige Amt in Berlin seine "Reise- und Sicherheitshinweise für Russland" nochmals verschärft. Wegen der angeblichen Gefahr "willkürlicher Festnahmen" wird von Reisen in das größte Land der Welt nicht mehr nur abgeraten, sondern "dringend abgeraten". Zahlreiche Medien griffen das Thema auf, und innerhalb von wenigen Stunden nach meiner Rückkehr von einer Reise zu Familie und Freunden ins winterliche Russland meldeten sich etliche deutsche Bekannte, ehrlich erleichtert, dass ich in Moskau nicht in Geiselhaft genommen wurde. Die "Sicherheitshinweise" aus Berlin verunsichern momentan viele - dabei sind sie voller Fehler und folgen in manchen Punkten eher ideologischem Schubladendenken als den Fakten.
Die östlichen EU-Mitgliedsstaaten stopfen nach und nach die letzten Löcher ihres neuen Eisernen Vorhangs zwischen Russland und dem restlichen Europa. Kurz nach Jahreswechsel gab Finnland bekannt, dass die über 1.300 Kilometer lange Landgrenze zum neuerdings verfeindeten Nachbarn komplett geschlossen bleiben soll (S. z.B. YLE, Englisch) - vorerst bis Mitte Februar.
Innenministerin Mari Rantanen von der Rechtsaußen-Partei "Die Finnen" begründete den Schritt mit der "nationalen Sicherheit". Für Russland-Reisende ist die andauernde Grenzblockade durch die finnischen Behörden eine mittlere Katastrophe: Bis Ende 2023 war die Route über die russisch-finnische Grenze für diejenigen, die die EU noch passieren ließ, einer der unkompliziertesten.
Beim internationalen Personenverkehr mit der Eisenbahn bleibt Russland auch 2024 weitgehend vom Rest der Welt abgeschnitten. Der Fahrplan 2023/2024, der am 10. Dezember in Kraft tritt, bringt in dieser Hinsicht praktisch keine Verbesserungen. Stattdessen wird der neue Eiserne Vorhang zwischen West- und Osteuropa noch undurchdringlicher: Mittlerweile sehen Russlands Eisenbahner nicht einmal mehr Fahrplantrassen für Züge nach Finnland oder ins Baltikum vor (Bericht "Transport Rossii, Russisch), die nach Beginn der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges noch für eine mögliche Rückkehr der Züge freigehalten worden waren. Selbst bei Verbindungen in die verbliebenen verbündeten oder neutralen Nachbarländer sieht es eher düster aus.