Keine Hochhäuser, keine Fabriken, keine Schnellstraßen. Über 50 Kirchen für weniger als 10.000 Einwohner. Die Kleinstadt Susdal östlich von Moskau hält die Erinnerung an das alte Russland wach. Einst Hauptstadt eines wichtigen russischen Fürstentums gingen später viele wichtige Entwicklungen an dem Ort vorbei, der bis heute in einem landesweit einmaligen Umfang sein vorrevolutionäres Flair bewahren konnte. Die enorme Vielzahl historischer Bauten auf so kleiner Fläche brachte Susdal, das als Teil des Goldenen Rings altrussischer Städte seit Sowjetzeiten überwiegend vom Tourismus lebt, viele, viele Besucher aus aller Welt. Seine "weißen Monumente" wurden auch in die Unesco-Welterbeliste aufgenommen.
Susdal ist eine der ältesten russischen Städte. Wobei niemand wirklich weiß, wie alt sie ist. Eine mittelalterliche Chronik berichtet von einem Aufstand heidnischer Priester in Susdal im Jahr 1024, die der Kiewer Großfürst Jaroslaw der Weise niederschlagen ließ. Im 12. Jahrhundert wurde die Stadt unter Juri Dolgoruki, dem späteren Gründer von Moskau, Zentrum des mächtigen Fürstentums von Wladimir und Susdal, verlor die Hauptstadt-Rolle aber bald an das nahe gelegene Wladimir. Auch nach dem Fall der Stadt an Moskau 1392 blieb Susdal zumindest ein religiöses Zentrum Russlands. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte entstanden immer neue Klöster in der Stadt. Entscheidend für das weitere Schicksal von Susdal war, dass die Bahnlinie von Moskau nach Nischni Nowgorod an der Wolga im 19. Jahrhundert an der Stadt vorbei gebaut wurde. Susdal war ab sofort vom technischen Fortschritt abgehängt.
Nach der Oktoberrevolution blieben die vielen Kirchen und Klöster der Stadt von mutwilligen Zerstörungen weitgehend verschont. In der ganzen Stadt gibt es nicht einen
einzigen Ort, an dem nicht die Kuppeln mindestens einer Kirche zu sehen wären. Der Bau von Häusern mit mehr als zwei Stockwerken ist offziell verboten. Die Stadt wurde ab den
1960-er Jahren zum Reiseziel auch für ausländische Gruppen, die hier einen Blick auf das alte Russland werfen konnten.
In der Museumsstadt fällt es nicht schwer, sich zu orientieren. Als zentrale Achse zieht sich die Lenin-Straße von Norden nach Süden quer durch die gesamte Stadt. Auf halber Strecke - also genau im Zentrum - liegt westlich davon der Kreml von Susdal mit der mächtigen Maria-Geburts-Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert. Deren fünf blaue, mit weißen Sternen geschmückte Türme sind weithin sichtbar. Im Norden von Susdal liegen auf den beiden gegenüberliegenden Ufern des Flüsschens Kamenka zwei der drei großen Klöster der Stadt: das Erlöser-Euthymios-Klöster und das Kloster Mariä Schutz und Fürbitte.
Die relative Nähe zur Hauptstadt Moskau und ein gutes Angebot an Unterkünften machen Susdal zum idealen Ziel für Wochenendausflüge. Gerade vor verlängerten Wochenenden oder während der Neujahrsferien ist es daher ratsam, sich rechtzeitig um eine Unterkunft zu kümmern, wenn man über Nacht in der Stadt bleiben möchte. Wer kein eigenes Auto hat, nimmt von Moskau (Kursker Bahnhof) aus einen der vielen Züge in die Gebietshauptstadt Wladimir und steigt für die letzten 30 Kilometer in einen Bus oder ein Taxi um. Vor Ort können Besucher alle Sehenswürdigkeiten zu Fuß ablaufen.
Unser letzter Besuch in Susdal liegt leider schon eine ganze Weile zurück. Aber damals waren wir ganz begeistert von dem kleinen Hotel "Cherry Garden" ("Wischnjowy Ssad", Webseite nur Russisch) am Südrand des historischen Stadtkerns. Die wenigen mit Holz verkleideten Gästezimmer sind gemütlich eingerichtet. Aktuell kostet ein Doppelzimmer mit Frühstück dort 2.500 bis 3.000 Rubel (umgerechnet 32 bis 39 Euro). Von der Unterkunft sind es zu Fuß rund zehn Minuten bis zum Kreml.