"Optimisten sind Menschen, die sich nicht ärgern, wenn sie den Zug verpassen. Sie denken dann einfach, dass sie etwas zu früh für den nachfolgenden gekommen sind."

 

Michail Sadornow (1948-2017), russischer Satiriker

 

Mit der Eisenbahn durch Russland

Wer Russland besucht, ohne wenigstens einige Zugfahrten zu unternehmen, begeht einen ziemlich großen Fehler: Kaum ein Land auf der Welt eignet sich so sehr für Reisen mit der Eisenbahn. Kaum irgendwo lassen sich Land und Leute besser begreifen, als in einem Schlafwagenabteil der Russischen Staatsbahn RZD mit Teeglas auf dem Tisch, der Aussicht auf endlose Wald- und Wiesenlandschaften und jeder Menge neuer Bekannter. Komfortable Nachtzüge verkehren auf oft tagelangen Reisen zwischen den größeren Städten des Riesenreichs. Die Transsibirsche Eisenbahn, die Moskau und St. Petersburg mit dem Ural, Sibirien und sogar dem Pazifikhafen Wladiwostok verbindet, ist eine Legende. Aber anderenorts in Russland gibt es ebenfalls faszinierende Bahnstrecken - etwa durch den Kaukasus oder die wüstenartigen Gegenden im Süden des Landes. Auch die Anreise aus Westeuropa nach Russland ist weiterhin mit der Bahn möglich.

Bahnhof RZD Tuapse
Am Bahnhof von Tuapse am Schwarzen Meer

Die Eisenbahn spielt für Russland noch immer eine größere Rolle als in den meisten anderen Ländern Europas - trotz oder teilweise auch gerade wegen der riesigen Entfernungen. Erst seit einigen Jahren gibt es überhaupt eine durchgehende Straßenverbindung vom europäischen Landesteil bis in die fernöstliche Pazifikregion. Manche Städte im Norden Russlands, etwa Workuta, sind bis heute nicht an das Straßennetz angeschlossen. Auch für den Güterverkehr spielt die Eisenbahn eine enorm wichtige Rolle. Reisende werden auf einer Bahnfahrt durch Russland eine gigantische Menge langer Güterzüge sehen, die Öl, Kohle und andere Rohstoffe nach Westen oder Osten transportieren.


Allgemeines über Bahnreisen in Russland

Russischer Schlafwagen Kupejny Moskau Sotschi
Russischer Schlafwagen 2. Klasse ("Kupejny")

Eine Bahnreise durch Russland war nie einfacher als heute: Frühere Reisebeschränkungen für Ausländer wurden weitgehend abgeschafft, separate Ausländerkassen mit erhöhten Preisen gehören der Vergangenheit an.

Die russische Eisenbahn hat in den vergangenen Jahren viel Geld in neue Züge investiert. Aber auch die älteren Waggons sind noch immer komfortabel genug. Der Verkehr wird überwiegend von den Tochterfirmen der Staatsbahn RZD abgewickelt, es gibt einige private Mitbewerber.

Wer häufiger in Deutschland, Österreich oder der Schweiz unterwegs ist, muss sich umgewöhnen, denn bei der Russischen Eisenbahn ist der Zugverkehr nach einigen anderen Grundregeln organisiert:

  • In Russland werden keine durchgehenden Fahrkarten für Umsteigeverbindungen verkauft. Für jeden Zug wird ein eigenes Ticket benötigt. 
  • Nah- und Fernverkehr sind organisatorisch strikt voneinander getrennt. Während Vorortzüge im Berufsverkehr oft hoffnungslos überfüllt sind, dürfen Passagiere in Fernzüge nur mit vorab gekauftem Ticket einsteigen, wobei die Fahrscheine stets eine Reservierung enthalten. In manchen Großstädten gibt es separate Bahnhöfe für Nah- und Fernverkehr.
  • Fahrscheine im russischen Fernverkehr werden individuell ausgestellt und enthalten Namen und Passnummer des Fahrgastes. Beim Einsteigen findet meist auch ein Abgleich zwischen Fahrschein und Ausweis statt.
  • Russland ist eines der letzten Länder Europas, dass konsequent auf Nachtzugverkehr setzt. Lediglich auf einigen kürzeren Strecken (bis maximal 500 oder 600 Kilometer) werden Fernverkehrszüge mit Sitzwagen eingesetzt. Ansonsten landen Passagiere selbst dann in einem Schlafabteil, wenn sie tagsüber in einen Zug ein- und vor dem Abend wieder aussteigen.
  • Auf weiten Strecken sind russische Züge meist nicht übermäßig schnell. Es gibt in der Regel alle paar Stunden auch längere Zwischenstopps von einer halben Stunde oder mehr. Viele Passagiere nutzen die Zeit, um ihre Proviantvorräte aufzustocken.
  • Im Unterschied zu vielen Ländern Europas ist die Eisenbahn in Russland in der Regel auf die Minute pünktlich. Dies gilt insbesondere für Fernverkehrszüge. (In über 20 Jahren mit unzähligen Bahnreisen hatte ich ein einziges Mal eine größere Verspätung, als mein Zug mitten im Winter im Verwaltungsgebiet Archangelsk fernab der nächsten Ortschaft in einer Schneeverwehung steckenblieb.)

Bilder von unterwegs...


Zugtypen

Vorortzug - "Elektritschka"

Elektritschka russische Eisenbahn
Elektritschka bei Moskau

Die russischen Vorortzüge - mehr oder weniger liebevoll "Elektritschka" genannt - befördern rund um die Großstädte riesige Passagiermassen, der Komfort ist allerdings recht eingeschränkt: Einige der älteren Modelle verfügen bis heute nur Holzbänke oder ebenso unbequeme Sitze aus Hartplastik. Im Berufsverkehr drängeln sich die Fahrgäste dicht an dicht. Es gibt nicht immer Toiletten an Bord, aber auf manchen Strecken bis heute viel Lokalkolorit, wenn sich fliegende Händler und Musiker ihren Weg durch die Menge bahnen. Fahrkarten müssen auch für diese Züge vor der Abfahrt gekauft werden. An größeren Bahnhöfen gibt es dafür separate "Vorort-Kassen". 

Vorort-Express - "Lastotschka"

Lastotschka Triebwagen Desiro Russland
"Lastotschka" auf dem Weg von Moskau nach Twer

Seit 2013 setzen die neuen Expresszüge vom Typ "Lastotschka" ("Schwalbe") neue Maßstäbe im russischen Regionalverkehr. Die auf der Grundlage der Siemens-Desiro-Fahrzeuge für die russische Eisenbahn entworfenen Züge sind deutlich komfortabler als herkömmliche Regionalbahnen. Zur Ausstattung gehören Biotoiletten und Steckdosen. Die Lastotschka-Züge fahren auf Regionallinien im Umland von Moskau, St. Petersburg und Jekaterinburg sowie im Großraum Sotschi. Außerdem sind sie auf einigen längeren Tagesverbindungen in Südrussland im Einsatz. Tickets kosten mehr als für gewöhnliche "Elektritschkas", aber Zeitgewinn und Komfort sind den Aufschlag allemal wert.

Premiumzüge, Schnellzüge, Passagierzüge

Bahnhof Kasan
Nachtzug Kasan - Nowy Urengoi

Im russischen Eisenbahnfernverkehr sind Nachtverbindungen über weitere Strecken nach wie vor die Regel. Auf viel befahrenen Routen - etwa zwischen Moskau und Sankt Petersburg oder auf der Hauptstrecke der Transsibirischen Eisenbahn - verkehren Züge verschiedener Komfortklassen. Als Faustregel gilt: Je niedriger die Zugnummer, desto höher der Standard.

 

Der Fernverkehr wird traditionell in drei Qualitätsgruppen eingeteilt: Premiumzüge ("Firmennyje pojesda") sind die besten. Diese Züge machen die wenigsten Zwischenstopps und haben oft die neuesten Waggons. In der Regel haben sie ihre seit Jahrzehnten hochgehaltenen Markennamen: Der "Rote Pfeil" ("Krasnaja Strela") gilt als bester Nachtzug zwischen  Moskau und Sankt Petersburg. Der Zug "Rossia" auf der Strecke Moskau-Wladiwostok - als die Transsib-Verbindung schlechthin. Einen Schritt abwärts in der Qualität folgen die gewöhnlichen Schnellzüge ("Skoryje pojesda"). Sogenannte Passagierzüge ("Passaschirskije pojesda") sind die langsamsten und billigsten, oft mit Waggons aus der Sowjetzeit. In den besseren Zügen ist oft eine warme Mahlzeit im Fahrpreis enthalten, dazu gibt es vielfach auch ein Päckchen mit Zeitungen, Zahnpasta und anderen netten Kleinigkeiten.

Standardunterbringung in russischen Nachtzügen sind relativ geräumige Vier-Bett-Abteile ("Kupejny wagon") mit viel Stauraum für Gepäck über der Tür und unter den unteren Liegen. Deutlich teurer ist die Fahrt in baugleichen Abteilen mit nur zwei Liegen ("Spalny Wagon" oder abgekürzt "SW"), die aber nicht in allen Zügen verfügbar sind. Die meisten, aber nicht mehr alle Züge führen auch 3.-Klasse-Wagen mit Liegen, aber ohne Abteiltüren. In diesen Waggons gibt es zusätzlich zu den vier Betten pro offenem Abteil noch jeweils zwei Schlafgelegenheiten längs zum Gang ("Platzkartny Wagon"). Eine Fahrt im Platzkartny-Wagon ist für große Personen nur bedingt empfehlenswert, da erfahrungsgemäß die Beine dann irgendwie immer in den Durchgang hinaushängen und etliche Fahrgäste auf dem Weg zum Zugklo oder in den Speisewagen dagegen stoßen. Allerdings sind selbst diese 3.-Klasse-Wagen zum Reisen über Nacht noch immer wesentlich besser geeignet als die gewöhnlichen IC- oder ICE-Züge, die die Deutsche Bahn mittlerweile durch die Nacht schickt, seit sie ihre Schlafwagen komplett ausgemustert hat.

In manchen, aber nicht in allen Zügen werden separate Damenabteile angeboten. Angst um die eigene Sicherheit muss man an Bord der russischen Nachtzüge eigentlich nicht haben. Auf Strecken in den Kaukasus wurden die Züge früher von bewaffneten Polizeieinheiten begleitet, aber derlei Begleitschutz wird inzwischen kaum noch eingesetzt.

Breitspur-ICE - "Sapsan"

Sapsan RZD Zug Moskau
Ein Sapsan-ICE düst nach Moskau

Seit 2009 gibt es zwischen Moskau und Sankt Petersburg zusätzlich zu etlichen Nachtzügen auch eine Reihe von Tagesverbindungen mit dem Hochgeschwindigkeitszug "Wanderfalke" ("Sapsan"). Die nach ICE-Vorbild von Siemens konstruierten Elektrotriebwagen sind mit bis zu 250 Stundenkilometern zwischen den beiden Millionenmetropolen unterwegs und benötigen weniger als vier Stunden für die gesamte Strecke. Die Züge sind so konstruiert, dass sie auch bei extremen Wintertemperaturen uneingeschränkt einsatzfähig bleiben. Einige Jahre lang waren die Breitspur-ICEs auch zwischen Moskau und Nischni Nowgorod im Einsatz. Diese Verbindung wurde jedoch 2015 wieder eingestellt, dort kommen jetzt moderne Talgo-Züge vom Typ "Mauersegler" ("Strisch") zum Einsatz, die auch von Moskau nach Berlin fahren.


Fahrkarten für die russische Bahn kaufen:

Fahrkarten für russische Züge gelangen in der Regel zwei Monate vor der Abfahrt in den Verkauf. Agenturen haben auch schon früher Zugriff. Während der Sommerferien und auf allen internationalen Strecken sollten Tickets so früh wie möglich besorgt werden. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten:

 

  • An Bahnhöfen in Russland: Der Klassiker. Die früheren Einschränkungen, als Fahrgäste Tickets nur für Fahrten erhalten konnten, die am jeweiligen Bahnhof begannen, sind lange aufgehoben. Auch separate Ausländerkassen gibt es nicht mehr. Jeder Fernverkehrsschalter eines beliebigen russischen Bahnhofs kann jede gewünschte Inlandsverbindung verkaufen. Nötig ist dazu ein Ausweis, da Name und Ausweisnummer auf dem Ticket vermerkt werden.
  • Im Internet: Seit einigen Jahren nimmt auch in Russland der Anteil der Onlinetickets immer weiter zu. Auf der Webseite der Russischen Eisenbahn RZD können mittlerweile die meisten Züge gebucht werden, eine relativ übersichtliche Buchungsmaschine ermöglicht Zug- und Sitzplatzauswahl. Leider gab es in der Vergangenheit häufig Probleme bei der Bezahlung mit deutschen Kreditkarten, die vom russischen System nicht akzeptiert wurden.
  • Am Bahnhof in Deutschland: Theoretisch lassen sich fast alle Züge in Russland inzwischen auch an jedem beliebigen Bahnhofsschalter in Deutschland reservieren. Dumm ist nur, dass die Mitarbeiter der DB das in der Regel nicht wissen (wollen) und bei meinen letzten Versuchen schon mit einer Buchung einer Fahrkarte von Deutschland nach Moskau heillos überfordert waren. Solange die Service-Angestellten keine Nachhilfe in Sachen Breitspurland bekommen, ist es eher nicht ratsam, extra zu einem Bahnhof zu fahren und sich dort in lange Schlangen einzureihen.
  • Über eine kompetente Bahnagentur: In Deutschland gibt es mehrere auf Bahnreisen spezialisierte Bahnagenturen, die problemlos Tickets für die große oder kleine Russland-Reise beschaffen. Der Rhein-Wolga-Kanal empfiehlt aus langjähriger Erfahrung Gleisnost in Freiburg, wo es RZD-Fahrkarten praktisch zum selben Preis zu kaufen gibt wie in Russland selbst oder auf der Internetseite der russischen Bahn. Tickets können telefonisch bestellt werden. Achtung: Leider gab und gibt es immer wieder auch wenig empfehlenswerte Anbieter, die insbesondere bei Fahrkarten für die Transsibirische Eisenbahn völlig überzogene Provisionen verlangen.
  • Bei Ticket-Zwischenhändlern: Bei einigen Zügen lassen sich die saftigen Aufpreise der Zwischenhändler leider kaum vermeiden: Dies betrifft die Verbindungen von Russland in die Mongolei und nach China, die auch nicht von Deutschland aus reserviert werden können und über die regulären Kanäle meist blitzartig ausverkauft sind. 

Kosten

Mittagessen RZD Schlafwagen
In den besseren Zügen bekommen Fahrgäste auch etwas zu essen und zu lesen.

Es soll Leute geben, die das Tarifsystem der Deutschen Bahn für kompliziert halten. Im Vergleich zum russischen Tarifdschungel ist das deutsche System allerdings ein Vorbild an Transparenz und Klarheit.

Tatsächlich ist kaum etwas schwerer, als eine Vorstellung davon zu geben, wie teuer (oder günstig) eine Bahnfahrt durch Russland wird. Die Preise variieren stark nach:

  1. Zugkategorie
  2. Wagenklasse
  3. Saison
  4. Nachfrage am konkreten Abfahrtstag
  5. Wechselkurs Rubel/Euro

Doch das ist noch nicht alles: Oft unterscheiden sich die Ticketpreise mittlerweile sogar innerhalb derselben Wagenklasse des selben Zuges - je nachdem, ob der konkrete Schlafwagen modernisiert wurde oder nicht. Außerdem sind obere Liegeplätze meist deutlich günstiger als untere. 

Die Staatsbahn RZD hat vor einigen Jahren auch regelmäßige Rabattaktionen eingeführt. Dadurch kann es auch so kommen, dass 2.-Klasse-Fahrkarten ("Kupejny") gelegentlich günstiger sind als 3.-Klasse-Tickets für die offenen Liegewagen ("Platzkartny"). Glücklicherweise lassen sich alle Preise für jeden einzelnen Sitz- oder Liegeplatz im Voraus auf der Website der Eisenbahn nachrecherchieren.

 

Momentaufnahme zu den Fahrpreisen der RZD im Frühsommer 2017:

Hauptbahnhof Jekaterinburg
Hauptbahnhof Jekaterinburg Passaschirski
  • Eine Fahrt von Moskau nach Jekaterinburg (je nach Strecke rund 1.800 Kilometer) in der Hochsaison während der Sommerferien gibt es einen Monat  vor der Abfahrt ab etwas über 3.000 Rubel (rund 50 Euro) im 3.-Klasse-Großraumliegewagen eines gewöhnlichen Schnellzugs. Im Premiumzug "Rossia" werden für das Ticket in der 3. Klasse 5.000 Rubel fällig (rund 80 Euro), in der 2. Klasse - happige 9.600 Rubel (rund 150 Euro) für eine obere und sogar 13.400 Rubel (215 Euro) für eine untere Liege. In der 1. Klasse liegt der Preis bei über 16.000 Rubel (260 Euro).
Platz der drei Bahnhöfe Moskau
Platz der drei Bahnhöfe in Moskau
  • Eine Fahrt von Moskau nach Samara an der Wolga (je nach Strecke gut 1.000 Kilometer) ist mit einer Woche Vorlauf im gewöhnlichen Schnellzug ab 2.200 Rubel (36 Euro) in der 2. Klasse (oben) oder ab 3.600 Rubel (60 Euro) für eine untere Liege zu haben. Die 3.-Klasse-Fahrkarte für diesen Zug kostet nur rund 100 Rubel (1,70 Euro) weniger. Für einen anderen, langsameren, aber fast ausgebuchten Zug würden in der 2. Klasse schon knapp 5.000 Rubel (knapp 80 Euro) fällig. Für bestimmte Termine im Sommer gibt es hingegen Schnäppchen-Angebote in der 2. Klasse ab 999 Rubel (16 Euro)!
Hauptbahnhof Sankt Petersburg
Hauptbahnhof Sankt Petersburg
  • Eine Fahrt von Moskau nach Sankt Petersburg (660 Kilometer) ist Ende Mai zwei Tage vor der Abfahrt gekauft im günstigsten Fall tagsüber für 2.400 Rubel (40 Euro) im "Sapsan"-ICE zu haben. Allerdings sind viele dieser Hochgeschwindigkeitsverbindungen bereits ausgebucht oder mindestens doppelt so teuer. Auch viele Nachtzüge sind so kurz vor der Abfahrt bereits bis auf den letzten Platz reserviert. Die günstigsten 2.-Klasse-Tickets über Nacht sind für rund 4.000 Rubel (66 Euro) erhältlich.

An Bord eines russischen Schlafwagenzugs

Benimmregeln Russland Speisewagen

 

Benimm-Regeln aus einem russischen Speisewagen:

 

"Verehrte Passagiere! 

 

(...)

Wegen der beschränkten Anzahl von Plätzen ist der Aufenthalt im Speisewagen auf maximal eine Stunde begrenzt.

Personen in Jacken und Mänteln, kurzen Hosen, mit nacktem Oberkörper, in angetrunkenem Zustand oder mit unangemessenem Auftreten werden nicht bedient!" 

 

 

Russische Schlafwagen werden von jeweils zwei Schlafwagenschaffnern (das russische Wort dafür lautet "Prowodnik" bzw. bei Frauen "Prowodniza") betreut, die während der gesamten Fahrt über Ansprechpartner für alle Fragen sind. Bei ihnen kann man Tee und kleine Snacks bestellen. Außerdem führen die russischen Fernverkehrszüge seit einigen Jahren eine beachtliche Menge an teilweise durchaus nützlichen Souvenirs mit (3D-Lokomotiven-Puzzle, Eisenbahn-Datensticks, Taschenmesser mit RZD-Logo und vieles mehr).

Die meisten Russen, die sich auf eine längere Bahnreise begeben, richten sich in ihrem Abteil als erstes gemütlich ein: Schlappen und Trainingshose statt Jacket und Krawatte sind dann angesagt. Zum guten Ton gehört, bei gemischtgeschlechtlich besetzten Abteilen kurz in den Korridor zu gehen, damit die Mitreisenden sich umziehen können.

Je weiter von Moskau entfernt, desto größere Neugierde schlägt ausländischen Reisenden im Zug entgegen. Mir ist es schon passiert, das mehrere Schlafwagenschaffner aus den Nachbarwaggons zu uns kamen, weil sie ihr Englisch trainieren wollten. Mit den Mitreisenden im Abteil wird man sowieso schnell ins Gespräch kommen, den Proviant teilen und gegebenenfalls ein Gläschen auf die Völkerfreundschaft heben. Wer keine Lust auf Zechgelage hat (die es gelegentlich auch geben kann), sollte klarmachen, dass er keinen Alkohol trinkt. Damit ist die Angelegenheit dann geklärt.

 

Rauchen wurde lange Zeit in den Übergängen zwischen den Waggons geduldet, aber inzwischen schreiten Prowodniki härter dagegen ein. Nikotinabhängige müssen deshalb in der Regel sich gedulden, bis wieder einmal ein längerer Zwischenhalt ansteht. An allen größeren Stationen verkauften früher Anwohner den Reisenden Proviant: selbstgebackene Piroggen, Bratkartoffeln oder Obst aus dem eigenen Garten. Sogar Krebse und Räucherfisch gab es mancherorts. Leider wird dieser vermeintlich unzivilisierte Handel längst nicht mehr überall geduldet.

 

Fast alle Schlafwagenzüge führen einen Speisewagen mit. Qualität und Preise unterscheiden sich leider erheblich. In manchen Zügen tischt freundliches Personal leckere Gerichte auf, in anderen müssten vor den Zug-Restaurants große Warnschilder aufgehängt werden. (kp)


Passend zum Thema beim Rhein-Wolga-Kanal:


Nachrichten rund um die Russische Eisenbahn:

Russland per Eisenbahn kaum noch zu erreichen

Bahnhof von Tscheljabinsk spiegelt sich in den Fenstern des Nachtzugs Moskau-Karaganda

Beim internationalen Personenverkehr mit der Eisenbahn bleibt Russland auch 2024 weitgehend vom Rest der Welt abgeschnitten. Der Fahrplan 2023/2024, der am 10. Dezember in Kraft tritt, bringt in dieser Hinsicht praktisch keine Verbesserungen. Stattdessen wird der neue Eiserne Vorhang zwischen West- und Osteuropa noch undurchdringlicher: Mittlerweile sehen Russlands Eisenbahner nicht einmal mehr Fahrplantrassen für Züge nach Finnland oder ins Baltikum vor (Bericht "Transport Rossii, Russisch), die nach Beginn der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges noch für eine mögliche Rückkehr der Züge freigehalten worden waren. Selbst bei Verbindungen in die verbliebenen verbündeten oder neutralen Nachbarländer sieht es eher düster aus.

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Russische Eisenbahn sagt ihren Speisewagen "Do Swidania"

RZD-Speisewagen

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Bald wieder Züge von Moskau nach Eriwan?

Auf der Georgischen Heerstraße

Gute Nachrichten zum Thema Reisen sind in der Corona-Krise noch seltener als Steinpilze im Winter. Nun kommt eine solche Meldung ausgerechnet aus einer Region, aus der man es am allerwenigsten erwartet hätte und in der noch Ende 2020 ein blutiger Krieg tobte: Überland-Reisen durch den Kaukasus könnten nach der Pandemie deutlich einfacher werden. Nach dem von Russland ausgehandelten Waffenstillstand in Berg-Karabach haben sich die Präsidenten der verfeindeten Nachbarländer Armenien und Aserbaidschan bei einem Gipfel in Moskau im Grundsatz darauf verständig, die Verkehrsblockaden in der Region zu beenden. Aserbaidschans Staatschef İlham Əliyev (Alijew) kündigte an, die 30 Jahre lang gesperrten Eisenbahnlinien zwischen beiden Ländern wieder zu öffnen (Quelle: Kommersant, Russisch).

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Neuer Fahrplan 2021: Russlands Eisenbahn hält Angebot trotz Corona stabil

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Trotz Corona-Krise will die Russische Eisenbahn RZD ihr Angebot im Fernverkehr mit dem neuen Fahrplan 2020/2021 sogar noch leicht ausbauen. Vorgesehen sind insgesamt 596 Fernzugpaare, 13 mehr als im laufenden Jahr. Als kuriose Neuerung ist sogar erstmals geplant, die modernen Regionalexpress-Züge vom Typ "Lastotschka" auf einer internationalen Verbindung einzusetzen. Sobald wie möglich sollen tagsüber zwei Zugpaare zwischen Moskau und Minsk, der Hauptstadt von Weißrussland (Belarus), hin- und herdüsen - auf einer Strecke von immerhin 700 Kilometern, auf der bislang fast nur Nachtzüge unterwegs sind. Grundsätzlich hält Russlands Staatsbahn an den bis zur Krise bestehenden Auslands-Verbindungen fest. Grund zur Sorge gibt es dennoch.

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