"Das Märchen hat sich mit dem Leben verwoben, und er trauert manchmal unbewusst darum, dass das Märchen nicht das Leben und das Leben kein Märchen ist."
Iwan Gontscharow (1812-1891), in "Oblomow"
Die russische Staatsduma hat ein Regierungsabkommen mit dem Nachbarland Weißrussland (Belarus) ratifiziert, das in absehbarer Zukunft Drittstaatsangehörigen wieder eine Reise über die russisch-weißrussische Landgrenze ermöglicht. Außerdem ist darin die gegenseitige Anerkennung von Visa des jeweils anderen Landes enthalten (Quelle z.B. Belta, Russisch). Für Westeuropäer bedeutet dies, dass sie in Kürze wieder beispielsweise mit dem eigenen Auto auf dem direkten Landweg von Berlin oder Warschau aus über Minsk nach Moskau reisen können - und dafür wahlweise ein russisches oder weißrussisches Visum ausreicht. Ein aufwendiger Umweg über Lettland oder Estland wird damit verzichtbar.
Die "historische Wahrheit" sei Russland, verkündete Staatschef Wladimir Putin in seiner martialischen Neujahrsansprache. "Auch Gott selbst steht auf unserer Seite", hielt der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte, Waleri Saluschnyj, dagegen. Jenseits der schwülstigen Propaganda ist längst klar: Der Ukraine-Krieg kennt zumindest auf dem europäischen Kontinent nur Verlierer. Dennoch wollen die politischen Entscheidungsträger in Moskau, Kiew und den Hauptstädten des Westens, dass er weitergeht, weil sie alle sich an unrealistische Ziele klammern. Also wird er weitergehen. Wie könnte sich der blutige Konflikt, der die Welt 2022 nach dem russischen Überfall aus den Fugen gehoben hat, 2023 und danach fortentwickeln?
Zum Flughafen nach Frankfurt, Berlin oder München fahren, einchecken, starten und wenig später in Russland landen - das war einmal. Auch von den bequemen Nachtzügen der Russischen Eisenbahn kann man nur noch träumen. Ukraine-Krieg und historisch beispiellose Sanktionen
machen Reisen zwischen Russland und Westeuropa so kompliziert wie nie zuvor in den zurückliegenden 50 Jahren. Fast alle Reiseverbindungen wurden gekappt. Wer trotzdem aus Mitteleuropa ins größte Land der Welt reisen will oder muss, hat weiter eine Reihe von Wegen zur Auswahl - aber alle dauern extrem lange und sind in der Regel teuer. Hinzu kommen Ein- und Durchreiseverbote mancher Transitländer. Hier ein aktueller Überblick.
Für einen Moment war sie wieder ganz nahe: Die Angst, dass der Krieg nach der Ukraine auch den Rest Europas verschlingen würde. Wäre es nach dem Willen von Wolodymyr Selenskyj gegangen, dann hätte der Raketeneinschlag in Przewodów im Osten Polens die Nato zur direkten Kriegspartei gemacht. Zumindest redete der ukrainische Staatschef in einer Videoansprache - offensichtlich wahrheitswidrig - von einem russischen Angriff auf Nato-Territorium und forderte das Militärbündnis zum Handeln auf. In Deutschland griffen die üblichen Verdächtigen die Informationsfetzen begierig auf. Manche Medien schienen den "Bündnisfall" geradezu herbei schreiben zu wollen. Und einmal mehr schien Europa von allen guten Geistern verlassen zu sein.
Kein anderes europäisches Wirtschafts-Großprojekt der vergangenen Jahrzehnte war wohl annähernd so umstritten wie der Bau der Pipelines Nord-Stream 1 und 2. Die Geschichte des Milliardenvorhabens ist ein jahrelanger Politik-Thriller, der im September 2022 auf dem Grund der Ostsee mutmaßlich mit einem Terroranschlag in 70 Meter Tiefe sein Ende fand. Die Röhren sollten Deutschland und andere Abnehmer in Westeuropa zuverlässig mit günstigem russischen Gas
versorgen - ohne Transit durch andere ehemalige Sowjetrepubliken. Dass mehrere Bundesregierungen an der Idee festhielten, Deutschlands Energieversorgung mit Hilfe der Russen zu sichern, gilt heute als kapitaler Fehler der Kanzler Schröder und Merkel. Aber es war keiner.
Viele Leute interessieren sich für Russland. Nur wenige Deutsche waren schon einmal dort. Einige würden das rätselhafte Riesenland im Osten gerne kennenlernen, sie wissen aber nicht,
wie sie das am besten anstellen. Und was sie dort erwartet. Für solche Neugierigen war dieser Reiseblog gedacht. Gewissermaßen wie ein Kanal, der Rhein und Wolga verbindet.
Dann begann der Krieg, und auch im Internet gilt: À la guerre comme à la guerre bzw. на войне как на войне. Nach Reisen ist momentan kaum jemandem zumute. Daher
ist auch dieser Blog gerade ein ganzes Stück politischer, als das einmal geplant war.