"Die Eisenbahn faucht, sie befördert Menschen, und sie ist aus Eisen und anderem Material gemacht."
Anton Tschechow (1860-1904), russischer Schriftsteller und Dramatiker, in "Ferienaufgabe der Schülerin Nadjenka N."
In Sankt Petersburgs Museen kommen nicht nur Kunstliebhaber auf ihre Kosten. Mit dem Russischen Eisenbahnmuseum wartet eine echte Schatzkammer auf Technik-Begeisterte und Eisenbahnfreunde. Das größte Museum für Eisenbahntechnik ganz Russlands ist schon 40 Jahre alt, aber seit einem Umzug 2017 werden die Exponate an einem neuen Ort ausgestellt - im spektakulär hergerichteten ehemaligen Lok-Depot des Baltischen Bahnhofs. Viele der hier ausgestellten Waggons und Lokomotiven sind weltweit einzigartig.
Die Dauerausstellung bietet einen Überblick über die gesamte Geschichte der Eisenbahn Russlands von der Zarenzeit bis in die Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Auf einer Fläche von 57.000 Quadratmeter werden 3.500 Exponate ausgestellt, darunter 118 restaurierte historische Schienenfahrzeuge.
Zu den besonderen Schätzen gehört der eigenartig geformte Prototyp der
ersten, von Jakow Gakkel entworfenen sowjetischen Diesel-Lok aus dem Jahr 1924, außerdem das einzige erhaltene Exemplar einer vorrevolutionären
russischen Dampflok der sogenannten S-Serie von 1913 ("Russki Prairie").
Zu bestaunen sind Spezialanfertigungen für 4.-Klasse-Waggons mit extra viel Platz für Gepäck, in denen Menschen Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem europäischen Landesteil
nach Sibirien übersiedelten. Einzigartig sind auch die instandgesetzten Waggons der Ostchinesischen Eisenbahn (KWSchD) aus einer Epoche, als ein Teilstück der Schienenstrecke von Moskau nach Wladiwostok noch über chinesisches Territorium verlief. Ein Schlafwagen des legendären Nachtzugs "Roter Pfeil" hat ebenso seinen Weg
in das Depot gefunden.
Ein Teil der Exponate befindet sich außerhalb der Lok-Hallen unter freiem Himmel: Besonders spektakulär und unheimlich ist dort die mobile Abschussrampe für Atomraketen, die während des
Kalten Krieges auf westlicher Seite besonders gefürchtet waren: niemand konnte genau wissen, wo sich die getarnten Züge
gerade aufhielten. Im Zuge der von Michail Gorbatschow eingeleiteten Abrüstungs- und Entspannungspolitik nahmen die russischen Streitkräfte die Waffen außer Betrieb und verschrotteten die
dazugehörigen Raketen.
Für den Umzug auf das neue Gelände hatten die Verantwortlichen viel Geld in die Hand genommen, und eine modern gestaltete Ausstellung mit mancherlei Multimedia-Effekten aufzubauen. So verlockt gleich hinter dem Eingang ein riesiges Zeitrad den Besucher dazu, in den Geschichte der russischen und sowjetischen Eisenbahn zu forschen. Zu den ausgewählten Epochen werden dann Informationsfilme auf einer riesigen halbrunden Leinwand abgespielt.
In einem Original-Simulator zur Ausbildung von Zugführern können Interessierte üben, eine Diesellok sicher durch die russische Landschaft zu steuern.
Alle auf Bildschirmen angezeigten Erklärungen zu den einzelnen Exponaten können durch einen Fingerwisch von Russisch auf Englisch umgestellt werden. Eine der ausgestellten Dampfloks ist längsseitig aufgeschnitten, damit Besucher die Funktionsweise verstehen können.
Zwei Wermutstropfen gibt es zu beklagen: Ein Saal mit Ausstellungsstücken aus der Anfangszeit der russischen Eisenbahn ist nur im Rahmen von Führungen zugänglich. Und insgesamt gibt es bislang nur wenige Exponate, die man auch von innen erkunden darf.
Das Museum liegt am Südwestrand des Petersburger Stadtzentrums direkt neben dem Baltischen Bahnhof und ist mit der Metro innerhalb weniger Minuten von der Innenstadt aus zu erreichen (Station Baltijskaja, rote Linie). Der Eintritt kostet 300 Rubel (Kinder zahlen 100 Rubel). Einen erhöhten Ausländer-Preis gibt es im Gegensatz zu vielen anderen touristischen Attraktionen in Sankt Petersburg erfreulicherweise nicht.)