"Wenn ich erzähle, dass ich in die Republik Komi reise, haben meine Bekannten keine Vorstellung davon, wo das ist. Und dann sage ich: Das Territorium von Komi ist so groß wie Luxemburg. Und wie Belgien. Und wie die Niederlande. Und wie Deutschland - zusammengenommen."
Autor unbekannt
Im äußersten Nordosten des europäischen Russlands liegt die unberührte Wildnis der autonomen Komi-Republik mit ihren endlosen Wäldern, dem Uralgebirge im Osten und der Tundra im Norden. Kaum eine Region Europas ist weniger erschlossen, und eine Reise zu den grandiosen Naturlandschaften gleicht noch heute in den meisten Fällen einer Expedition. Wer sich auf den Weg dorthin macht, dessen Route führt mit einiger Wahrscheinlichkeit auch durch Syktywkar. Die Hauptstadt der Komi-Republik wirkt vielerorts wie ein viel zu groß geratenes Dorf mitten in der Taiga, das durch Zufall zu Größerem bestimmt wurde. Die Einwohnerzahl der verträumten Kleinstadt explodierte erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Echte Attraktionen gibt es hier nicht, aber einige bemerkenswerte Kuriositäten.
Syktywkar liegt größtenteils am linken Ufer des Syssola-Flusses, der in großen Schleifen um die Stadt herumfließt. Vor der Inbesitznahme durch die Russen siedelte in dieser Gegend das finno-ugrische Volk der Syrjänen (Komi). Nach der russischen Landnahme entstand am Standort der heutigen Stadt zunächst ein Fort, an dessen Stelle 1780 auf Anordnung von Zarin Katharina der Großen die Stadt Ust-Syssolsk gegründet wurde. Lange blieb die Region kaum besiedelt, obwohl noch in Europa gelegen, sprachen die Russen von "Klein-Sibirien".
Ihren heutigen Namen Syktywkar (Syktyvkar) erhielt die Stadt 1930, als sie bereits Hauptstadt eines später zur Republik aufgewerteten Autonomen Gebietes war. Vor allem als Zentrum der
Holzindustrie gewann Syktywkar an Bedeutung, die Einwohnerzahl nahm stark zu, allerdings kamen nicht alle der neuen Bewohner freiwillig in den Norden. Für die Neubürger
entstanden allerlei typisch sozialistische Plattenbauviertel, allerdings gibt es selbst im Zentrum von Syktywkar noch immer recht viele alte Holzhäuser und -baracken aus der
Vorkriegszeit.
Heute stellen ethnische Russen die absolute Mehrheit der Bevölkerung, nur noch rund ein Viertel der Einwohner rechnet sich dem Volk der Komi zu. Dennoch sind in der Stadt
alle Straßen zweisprachig ausgeschildert. Dem in der Komi-Sprache verbreiteten, im Russischen jedoch nicht vorhandenen Buchstaben Ö ist seit 2011 im Stadtzentrum sogar ein kurioses
Denkmal gewidmet.
Neues Wahrzeichen der Stadt ist die weiße Stefan-von-Perm-Kathedrale mit ihren fünf goldenen Kuppeln. Der Neubau an der Stelle einer in der Stalin-Zeit
abgerissenen Kirche ist dem Heiligen geweiht, der im 14. Jahrhundert die Komi zum Christentum bekehrt hatte. Eine Reise extra nach Syktywkar zu unternehmen, wäre aufgrund
der überschaubaren Zahl touristischer Attraktionen etwas übertrieben.
Im Gegensatz zu nahezu allen anderen russischen Städten besitzt Syktywkar einen Flughafen, der mitten im Stadtzentrum liegt. Wer aus dem Empfangsgebäude kommt, befindet sich
direkt auf der Hauptstraße der Stadt - wenige Häuserblocks vom zentralen Stefan-Platz entfernt. Es gibt Linienflüge nach Moskau, St. Petersburg und in kleinere Städte der riesigen Komi-Republik. Mit der Eisenbahn ist die Stadt alle zwei Tage direkt mit dem
Schlafwagenzug aus Moskau zu erreichen, der für die Fahrt etwas mehr als 24 Stunden benötigt.