"Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, dass man sie eigentlich ebensogut als Spanien und Italien gesehen haben muss, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll."

Wilhelm von Humboldt (1767-1835)

Geteiltes Paradies aus Sand - Die Kurische Nehrung

Куршская коса / Kuršių nerija

Die Kurische Nehrung ist eine legendäre, langgezogene Landzunge im einstigen Ostpreußen. Auf fast einhundert Kilometer Länge trennt sie das Kurische Haff von der offenen Ostsee. An der schmalsten Stelle liegen zwischen beiden Ufern nur 380 Meter. Berühmt ist die Nehrung für ihre eindrucksvollen Dünenlandschaften. Weil Wanderdünen in der Vergangenheit wiederholt Ortschaften bedrohten oder gleich ganz unter sich begruben, wurden an vielen Stellen Aufforstungen vorgenommen. Kiefernwälder prägen die Landschaft der einstigen "ostpreußischen Sahara" heute vielerorts. Seit 1991 verläuft fast genau durch die Mitte der Kurischen Nehrung die Staatsgrenze zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und der Baltenrepublik Litauen. Wer in der Gegend ist, sollte unbedingt beide Seiten kennenlernen.

Strand Kurische Nehrung russische Seite Rossitten Rybatschi
Am Ostseestrand bei Rybatschi / Rossitten auf der Kurischen Nehrung

Die Nehrung im Überblick

Graue Dünen Nida Kurische Nehrung Litauen
Die Grauen oder Toten Dünen nördlich von Nida

Die Kurische Nehrung ist auf beiden Seiten der Grenze seit Sowjetzeiten Nationalpark. Außerdem wurde sie im Jahr 2000 in die Unesco-Welterbe-Liste aufgenommen - grenzüberschreitend. 

Weder in Russland, noch in Litauen ist es gestattet, einfach nach Belieben durch die wüstenähnlichen Dünen zu stapfen. An den interessantesten Stellen wurden Bohlenwege durch die Landschaft verlegt, die nicht verlassen werden sollten. 

Wer - beispielsweise im Linienbus - auf der Hauptstraße von Kaliningrad nach Klaipėda (Memel) fährt, bekommt übrigens von der einmaligen Landschaft so gut wie nichts mit, da die Straße in der Regel durch den Wald verläuft.

Auf der schmalen Halbinsel gibt es nur wenige Ortschaften. Auf der russischen Seite liegen lediglich drei Dörfer: Lesnoi (Sarkau), Rybatschi (Rossitten) und direkt vor der litauischen Grenze Morskoje (Pillkoppen). Im litauischen, stärker vom Tourismus geprägten Teil liegen von Süd nach Nord die Orte Nida (Nidden), Preila (Preil), Pervalka (Perwelk), Juodkrantė (Schwarzort), Alksnynė (Erlenhorst) sowie Smiltynė (Sandkrug), ein Vorort der Hafenstadt Klaipėda. Größte Siedlung ist Nida mit etwas mehr als 1.000 Einwohnern. 

Der russische Teil

Rybatschi Rossitten Kirche
Rybatschi, das frühere Rossitten

Auf der russischen Hälfte der Nehrung geht es deutlich beschaulicher zu, als weiter nördlich bei den Litauern. Der Fremdenverkehr steckt hier noch stärker in den Kinderschuhen, westliche Gäste gibt es nur wenige, und russische Urlauber bevorzugen die größeren Badeorte an der Samlandküste.

Wenn es so etwas wie ein touristisches Zentrum der russischen Nehrung gibt, dann ist das wahrscheinlich das Dorf Rybatschi (Rossitten) mit seinem vor sich hin gammelnden Fischereihafen. Im Dorf stehen noch viele deutsche Häuser aus der Vorkriegszeit, auch die ehemalige evangelische Backsteinkirche aus dem 19. Jahrhundert ist noch in Betrieb - sie wird heute von der orthodoxen Gemeinde genutzt. Vor Ort gibt es eine Reihe von Privatunterkünften und kleinerer Hotels. Cafés und Restaurants sind vorhanden, aber die Auswahl ist eingeschränkt.

Zum Baden gibt es am wunderschönen Sandstrand auf der Meerseite Platz genug, allerdings ist der gut zwei Kilometer vom eigentlichen Ort Rybatschi entfernt. Das Wasser im Kurischen Haff ist im Sommer hingegen eine ziemlich eklige, grüne Algenbrühe.

Die Ausweisung von Wander- und Fahrradwegen hat mittlerweile auch auf russische Seite begonnen. Bei unserem Besuch gab es aber noch kein durchgehendes Netz zwischen den Ortschaften und einzelnen Sehenswürdigkeiten. Hauptanziehungspunkte sind der sogenannte "Tanzende Wald" mit seinen eigenartig verformten Kiefern und die Vogelwarte, in deren riesigen Netzen Jahr für Jahr Abertausende Zugvögel gefangen und beringt werden. Bereits  Anfang des 20. Jahrhunderts hatte es eine vergleichbare Einrichtung ganz in der Nähe gegeben, deren Arbeit die Russen nach der Übernahme von Nord-Ostpreußen fortsetzten.


Einreisestempel Grenzübergang Kurische Nehrung
Einreisestempel "Kurische Nehrung"

Über die Grenze: Der Grenzübergang auf der Kurischen Nehrung ist eine echte Hürde für ausländische Touristen. Wer in Litauen ist, kommt ohne Visum nicht nach Russland. Und wer von Russland aus zum Tagesausflug nach Litauen startet, kommt ohne Mehrfach- oder mindestens Zweifach-Einreisevisum am Abend nicht wieder zurück in sein Quartier.

An der Grenze selbst herrscht wenig Verkehr, aber alle Fahrzeuge werden akribisch kontrolliert - auf beiden Seiten. Unser Sohn - damals vier Jahre alt - wurde auf der Fahrt Richtung Klaipėda 
von den Litauern regelrecht verhört ("Sind das deine Eltern?"). Um über die Grenze zu gelangen, müssen Reisende mit irgendeinem Fahrzeug unterwegs sein. Wanderer dürfen also nicht passieren. Fahrradfahrer schon. Erleichterungen für das Grenzregime sind aufgrund der extrem schlechten Beziehungen zwischen Russland und Litauen kurzfristig nicht zu erwarten


Der litauische Teil

Dünen Kurische Nehrung Nida
Blick von Nida nach Süden über die Grenze nach Russland

Nur wenige Kilometer nördlich der Grenze liegt Nida (Nidden), der wichtigste Ferienort der litauischen Nehrung. Wer von Süden aus hierher kommt, erlebt zunächst einen kleinen Kulturschock, die ordentlichen Straßen mit ihren Fahrradwegen und frisch gestrichenen Häuschen erinnern eher an die Lübecker Bucht als an die Siedlungen auf der südlichen, russischen Nehrungshälfte.

Nida hat eine lange Geschichte als Ferienort, bekanntester Sommergast war einst Thomas Mann, der sich ein - heute zum Museum und Kulturzentrum umgewandeltes - Haus am Ortsrand kaufte. Drei Sommer von 1930 bis 1932 verbrachte der Literaturnobelpreisträger in dem reetgedeckten Anwesen am Meer. Nachdem Mann nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 aus Deutschland auswanderte, kehrte er niemals wieder auf die Kurische Nehrung zurück.

Weiter nördlich liegt das beeindruckendste Dünenfeld der Kurischen Nehrung, die Grauen oder Toten Dünen, die zum Kurischen Haff hin bis zu 60 Meter tief abfallen. In der Nähe ist eine riesige Kormoran-Kolonie zu bestaunen. Die Vögel haben mit ihren giftigen Exkrementen bereits den kompletten Wald in der Umgebung absterben lassen. Die riesigen Mengen schwarzer Vögel und die Vielzahl toter Bäume sind wirklich eindrucksvoll.

Noch weiter nördlich wird das Kurische Haff immer schmaler, bis es kurz vor Klaipėda zu einer schmalen Meerenge zusammenschrumpft. Im nördlichen Teil der Nehrung besuchen viele Touristen den Hexenberg bei Juodkrantė (Schwarzort) mit seinen in den Wald gestellten Holzfiguren. Klaipėda selbst ist nur per Autofähre von der Nehrung aus zu erreichen. Die einst nordöstlichste Großstadt des Deutschen Reichs hat eine kleine historische Altstadt. Am zentralen Marktplatz steht inzwischen wieder ein Denkmal für das "Ännchen von Tharau".


Passend zum Thema in unserem Russland-Reiseblog:


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