Mit E-Visum nach Russland

Wie das neue Einreise-Verfahren für Kurzbesuche funktioniert

Die Einführung des landesweit gültigen E-Visums für Russland-Reisende aus über 50 Staaten war schon Jahre vor dem Start im August 2023 angekündigt, aber wegen Coronavirus-Krise und dem nahezu nahtlos anschließenden Beginn der Ukraine-Krieges mehrfach verschoben worden. Mittlerweile haben viele Reisende Erfahrungen mit den E-Visa gemacht, auch ich bin im Februar 2024 zum ersten Mal damit nach Moskau geflogen. Das neue Verfahren macht tatsächlich vieles einfacher, hat aber auch seine Tücken. 

Die Vorteile liegen auf der Hand: Um ein E-Visum für Russland zu beantragen, müssen Reisende ihre Wohnung nicht mehr verlassen, der Pass muss nicht mehr zu einem russischen Konsulat oder Visacenter gebracht werden. Die vielleicht entscheidenden Neuerungen: Es ist keine offizielle Einladung aus Russland mehr erforderlich, und die Bearbeitungsdauer beträgt vom Zeitpunkt der Antragstellung an maximal vier Tage. Das Visum kann für private, touristische oder geschäftliche Reisen genutzt werden.

Im Unterschied zu vorangegangenen E-Visa-Experimenten ist der Aufenthalt nicht auf bestimmte Regionen beschränkt. Wer die Möglichkeit hat, ein E-Visum zu beantragen, sollte dies daher tun.

 

Voraussetzungen für ein E-Visum

Gegenüber den herkömmlichen, in den Pass geklebten Russland-Visa hat das E-Visum aber auch einige Nachteile: Nur Bürger bestimmter Staaten können es beantragen. Alle EU-Staaten gehören dazu, Schweizer, Liechtensteiner, Inder, Iraner, Saudis und andere ebenfalls - aber beispielsweise keine Briten oder US-Amerikaner.

Wichtiger noch: Die Aufenthaltsdauer ist auf 16 Kalendertage beschränkt. Eine Verlängerung vor Ort ist nicht vorgesehen und allenfalls bei schwerer Erkrankung oder ähnlichen Fällen Höherer Gewalt möglich.


Zudem müssen ausgewählte Grenzübergänge genutzt werden. Dazu gehören alle halbwegs wichtigen internationalen Flughäfen (alle Moskauer Flughäfen, St. Petersburg, Kasan, Sotschi, Nowosibirsk, Mineralnye Wody, Wladiwostok, Irkutsk u.a.), ausgewählte Straßengrenzübergänge zu den westlichen Nachbarstaaten (darunter etliche, die seit 2022 auf Initiative der EU dichtgemacht wurden), zur Mongolei, zur Volksrepublik China sowie der Grenzübergang Werchni Lars zu Georgien an der Georgischen Heerstraße.
Die Einreise mit Eisenbahn und E-Visum ist aktuell ausschließlich von der Mongolei aus in Nauschki möglich. Außerdem führt die Liste des Moskauer Außenministeriums die Eisenbahn- Grenzübergänge im Fernen Osten zu China und Nordkorea auf, wo allerdings seit der Corona-Krise kein Personenverkehr mehr stattfindet, ebenso einige Seehäfen. 

Interessanter ist, an welchen Orten die Einreise mit E-Visum nicht möglich ist: So fehlen in der Auflistung der Internationale Flughafen im südrussischen Stawropol, der einzige Übergang an der norwegisch-russischen Grenze und die gesamte Landgrenze zu Aserbaidschan und Kasachstan. Die Einreise auf dem Landweg aus Weißrussland ist ebenfalls nicht möglich, auch für Besitzer eines regulären russischen Visums nicht. Die Zahl der zugelassenen Einreisestellen soll noch erweitert werden. Welcher der zugelassenen Grenzübergänge für die Reise genutzt wird, muss nicht im Voraus angegeben werden.

 

Ablauf des Antragsverfahrens

Screenshot: Russisches Außenministerium
Screenshot: Russisches Außenministerium

Wer ein E-Visum für eine Russlandreise beantragen will, muss sich zunächst auf der entsprechenden Internetseite des Moskauer Außenministeriums ein Nutzerkonto anlegen. Die Webseite hat eine russischsprachige und eine englischsprachige Version. Unfertige Anträge können für bis zu 30 Tage abgespeichert und an einem späteren Tag weiter bearbeitet werden.

Bevor ihr den Antrag angeht, benötigt ihr:

* einen Scan oder ein gutes Foto der Fotoseite des Reisepasses

* ein Passfoto (der Bildausschnitt kann im Laufe der Antragstellung angepasst werden, selbstgemachte Fotos vor einer weißen Wand werden in der Regel akzeptiert)
* eine Kreditkarte zum Zahlen der Visagebühr

Im Folgenden müssen Foto und Passseite auf das Portal hochgeladen werden. Die im Visumantrag gemachten Angaben werden dabei automatisch mit den maschinenlesbaren Angaben aus dem Pass verglichen. Dabei kommt es vor, dass das System die Fotos nicht korrekt erfasst bzw. nicht richtig einlesen kann. In einem solchen Falle kann es helfen, ein anderes Foto des Passes anzufertigen und hochzuladen.

Die Pflicht zum Besitz einer Reisekrankenversicherung für Russland-Reisende bleibt bestehen, im Antrag müssen Versicherungsunternehmen und Policen-Nummer angegeben werden, eine Kopie des Versicherungsscheins wird jedoch nicht verlangt.

 

Gesteigerte Neugierde: Waffenkenntnisse, Social-Media, Vergangene Reisen

Im Vergleich zu herkömmlichen Visaanträgen enthält der digitale Fragebogen für ein E-Visum zahlreiche zusätzliche Fragen, von denen einige nicht besonders sinnvoll erscheinen und andere fast schon übergriffig.

 

So möchten die russischen Behörden von Antragstellern eine Aufzählung aller in den zurückliegenden drei Jahren besuchten Länder erhalten, außerdem Auskünfte zu beruflichen Stationen und Ausbildungsstätten und dazu, welche Social-Media-Accounts man nutzt. Als die Pläne für Details der E-Visa 2021 durchsickerten, protestierte die russische Tourismuswirtschaft noch dagegen. Ausländische Besucher, von denen der russische Staat wissen wolle, ob Sie im Umgang mit Waffen und Sprengstoffen geschult seien, schon einmal an kriegerischen Handlungen teilgenommen hätten oder während ihrer Russland-Reise im Auftrag ausländischer Regierungen oder NGOs unterwegs seien, würden sich nicht sonderlich willkommen fühlen.

 

Die Kritik war sicherlich gerechtfertigt, auch ich hatte mich darüber geärgert, was für merkwürdige Auskünfte verlangt werden sollten. Inzwischen ist die gesteigerte Neugierde der russischen Konsularbeamten wohl eindeutig das kleinere Übel im Vergleich zu den kollektiven Reiseverboten und diversen Schikanen, mit denen Russen konfrontiert sind, die noch nach EU-Europa reisen wollen oder müssen.

 

Abrechnung in Dirham

Nach Ausfüllen des Antrags werden die Antragsteller auf eine Bezahlseite weitergeleitet. Das russische Außenministerium hat - wie auch immer - einen Weg gefunden, um Zahlungen mit westlichen Kreditkarten entgegennehmen zu können. Anfang 2024 wurde alles offenbar abgewickelt über Finanzdienstleister in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Daher darf sich niemand wundern, wenn die zu zahlenden Gebühren mit 195 VAE-Dirham angegeben werden. Der Betrag entspricht umgerechnet ziemlich genau 49 Euro - geradezu ein Schnäppchen im Vergleich zu früheren Gebührensätzen, die inclusive Einladungsschreiben meist bei über 100 Euro lagen.

Den Berichten verschiedener Social-Media-Kanäle zu Russland-Reisen zufolge läuft die Bearbeitung der Anträge nahezu ausnahmslos in der zugesicherten Zeit und in aller Regel ohne Beanstandung. Gelegentlich berichten Reisende von Rückfragen aus Moskau oder der per Mail zugesandten Aufforderung, Fehler zu korrigieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass beantragte E-Visa abgelehnt werden, scheint trotz der aktuell extremen politischen Spannungen zwischen Russland und den EU- bzw. Nato-Staaten momentan sehr gering zu sein. Nach der Ausstellung kann der maximal 16-tägige Aufenthalt zu einem beliebigen Termin innerhalb von 60 Tagen begonnen werden.

Eigene Erfahrungen mit dem russischen E-Visum könnt Ihr gerne in der Kommentarspalte teilen!

 

Aufgeschrieben im April 2024


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