"Das Märchen hat sich mit dem Leben verwoben, und er trauert manchmal unbewusst darum, dass das Märchen nicht das Leben und das Leben kein Märchen ist."
Iwan Gontscharow (1812-1891), in "Oblomow"
Sogar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung waren die technischen Probleme eines Charterjets mit der EU-Kommissionspräsidentin an Bord das wichtigste Thema des Tages: "Russischer Störangriff auf Flugzeug von der Leyens vermutet", titelte das Blatt Anfang September. Der Fall ist leider typisch für die Berichterstattung deutscher Medien. Wenn es um Russland geht, werden die Handwerksregeln des Journalismus auch von eigentlich seriösen Redaktionen regelmäßig zur Seite gelegt. Geraune ersetzt seriöse Recherche. Vermutungen werden solange wiederholt, bis man sie zu Fakten verklären kann. Journalisten kleben dubiosen Pseudo-Experten an den Lippen. In Zeiten, in denen in Europa ein Krieg tobt, ist das besonders gefährlich.
Die russische Billig-Fluggesellschaft Pobeda ist berüchtigt für ihren Erfindungsreichtum, wenn es darum geht, Passagieren zusätzlich zum eigentlich Ticketpreis weitere Gebühren aus der Tasche zu ziehen. Doch nun hat es die Aeroflot-Tochter wohl selbst für ihre Verhältnisse mal wieder übertrieben: Ein Moskauer Gericht verwarf die Handgepäck-Regeln der Airline als rechtswidrig (s. z.B. Meldung RBK, Russisch). Pobeda hatte zuvor das zulässige Format für kostenlos beförderte Gegenstände auf 4×36×30 Zentimeter beschränkt. Damit war die gebührenfreie Mitnahme irgendwelcher Habseligkeiten faktisch unmöglich geworden.
Auf den ersten Blick sind es Elemente, die kaum zusammen passen: Die biblische Jesus-Geschichte aus der Sicht des römischen Statthalters Pontius Pilatus, die tragische Liebe eines in den Wahnsinn getriebenen Schriftstellers zu seiner Muse und der Besuch des Teufels in der Sowjetunion. Und dennoch hat der russische Schriftsteller Michail Bulgakow (1891-1940) genau damit das erzählerische Fundament für einen der bedeutendsten Romane des 20. Jahrhunderts gelegt. Die atemberaubende Entstehungsgeschichte des Textes, der erst 30 Jahre nach dem Tod des Autors veröffentlicht wurde, hat nicht wenig zu seinem Kultstatus beigetragen. Die aufwendig produzierte Verfilmung unter der Regie von Michael Lockshin wurde 2024 in Russland zum Kassenschlager und schaffte es ein Jahr später auch in die deutschen Kinos.
Millionen Menschenleben, ein verwüsteter Kontinent, ganze Völker traumatisiert - vor 80 Jahren, am 8. und 9. Mai, konnten die Alliierten dem von Deutschen entfachten Zweiten Weltkrieg an den europäischen Fronten ein Ende setzen. In der Sowjetunion hatten die Deutschen in ihrem Rassenwahn besonders barbarisch gewütet. Wohl über 27 Millionen Kriegstote zählte das Land. Der Tag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg, wie der Zweite Weltkrieg in der Ex-UdSSR genannt wird, blieb in den meisten Nachfolgestaaten einer der wichtigsten Feiertage. 80 Jahre später zeigen Europas Staatenlenker, dass sie aus der Geschichte eben doch nicht so viel gelernt haben. Das Gedenken an das Kriegsende wird mancherorts zur peinlichen Scharade.
Viele Leute interessieren sich für Russland. Nur wenige Deutsche waren schon einmal dort. Einige würden das rätselhafte Riesenland im Osten gerne kennenlernen, sie wissen aber nicht,
wie sie das am besten anstellen. Und was sie dort erwartet. Für solche Neugierigen war dieser Reiseblog gedacht. Gewissermaßen wie ein Kanal, der Rhein und Wolga verbindet.
Dann begann der Krieg, und auch im Internet gilt: À la guerre comme à la guerre bzw. на войне как на войне. Nach Reisen ist momentan vielen nicht mehr zumute.
Daher ist auch dieser Blog gerade ein ganzes Stück politischer, als das einmal geplant war.