"Sowjets ohne Kommunisten!"
Losung während des Kronstädter Aufstands 1921
Auf der Insel Kotlin im Finnischen Meerbusen gelegen, entstand Kronstadt als Festungsanlage Anfang des 18. Jahrhunderts fast zeitgleich mit St. Petersburg auf Anweisung von Zar Peter dem Großen. Der Marinehafen 30 Kilometer westlich des Petersburger Stadtzentrums wurde gewissermaßen zum Schutzschild für die neue Hauptstadt des Russischen Reichs und Hauptstützpunkt der russischen Ostseeflotte. Mittlerweile ist die Insel eingemeindet und bildet den entlegensten Petersburger Vorort. Neben dem Blick auf einige Schiffe der Kriegsmarine lohnt vor allem ein Besuch der gigantischen orthodoxen Kathedrale, des Marine-Doms. Der etwas verwahrlost wirkende, ältere Teil von Kronstadt ist, ebenso wie die Reste der Befestigungsanlagen in der Ostsee, Teil der Unesco-Welterbestätte "Historisches Zentrum von Sankt Petersburg und dazugehörende Ensembles".
Zu Zarenzeiten war die Insel ein recht kosmopolitischer Ort: Es gab hier eine deutsche lutherische, eine anglikanische und mehrere katholische Kirchen. Von Kronstadt aus startete der russische Admiral Krusenstern zu seiner legendären Weltumrundung.
Bereits während der ersten russischen Revolution 1905 meuterten hier die Matrosen. Wenige Jahre nach der Oktoberrevolution wurde die Insel 1921 zum Schauplatz des Kronstädter Matrosenaufstands gegen die Herrschaft der Bolschewiki. Die rund 18.000 aufrührerischen Marine-Angehörigen, die Demokratie statt Kriegskommunismus einforderten, konnten die Insel Kotlin mehrere Wochen lang verteidigen. Nach der Niederschlagung des Aufstands kam es zu Massenhinrichtungen und -verhaftungen. Im Zweiten Weltkrieg konnte die Insel trotz schwerer Angriffe niemals von der Wehrmacht eingenommen werden.
Heute hat Kronstadt etwas mehr als 40.000 Einwohner. Die gesamte Insel war noch bis 1996 als militärisches Sperrgebiet für Ausländer unzugänglich. Über Jahrzehnte hinweg konnten Touristen lediglich vom Ostseeufer, beispielsweise in Peterhof aus, einen Blick auf die ferne Silhouette der geheimnisvollen Insel werfen. Selbst Russen benötigten einen speziellen Passierschein, um dorthin zu gelangen.
Der Marine-Dom von Kronstadt (Marskój Nikólski Sabór, offizielle Webseite nur auf Russisch) ist
eine der gewaltigsten orthodoxen Kathedralen überhaupt. Die 76 Meter hohe, neobyzantinische Kirche entstand in den letzten Jahren des Zarenregimes und wurde erst 1913 eingeweiht.
Offiziell ist sie der Erinnerungsort für alle russischen Seeleute, die im Dienst ums Leben kamen.
In der Sowjetzeit wurde die Kirche zu einem Kulturhaus für Matrosen mit 2.500 Sitzplätzen umgewandelt, in dem erhabenen Bau eröffnete der Kinosaal "Maxim Gorki". Im Jahr 2005
fand hier der erste Gottesdienst nach mehr als sieben Jahrzehnten statt, in den Folgejahren wurde der mittlerweile arg lädierte Bau grundlegend saniert.
Erst seit 1996 sind touristische Ausflüge nach Kronstadt möglich, es gibt sogar - in Russland beileibe nicht alltäglich - eine hübsche Webseite des örtlichen Fremdenverkehrszentrums (Russisch/Englisch). Dennoch sollten Touristen besser nicht allzu offensiv mit der Kamera militärische Fotomotive ablichten. Das mögen die russischen Militärs bis heute nicht so gerne.
Der schönste, nicht ganz billige Weg nach Kronstadt führt mit einem schnellen Tragflächenboot sowjetischer Bauart vom Typ "Meteor" direkt über den Finnischen Meerbusen.
Verschiedene Unternehmen bieten in den Sommermonaten Fahrten an, ein Halbtagesausflug kostet üblicherweise 25 bis 30 Euro pro Erwachsenem.
Über die Petersburger Ringautobahn ist Kronstadt inzwischen aber auch an das Straßennetz der Millionenmetropole angebunden, von mehreren Metro-Stationen am nördlichen Stadtrand aus gelangt
man für wenige Rubel im Bus oder Sammeltaxi zum Ziel.
Wege nach Kronstadt mit Bus/Sammeltaxi (orange) oder Tragflächenboot (blau):