Unter den altrussischen Städten des sogenannten Goldenen Rings ist Rostow eines der spannendsten Reise- und Ausflugsziele: Sein rund 350 Jahre alter Kreml bildet vor dem Ufer des malerischen Nero-Sees eine wahrhaft spektakuläre Kulisse. Die Kleinstadt trägt den Beinamen "Weliki" - damit ja niemand das "Große" bzw. "Großartige" Rostow mit dem in Wahrheit unvergleichlich größeren Rostow am Don verwechselt. Die Größe des kleinen Rostow liegt in seiner langen Geschichte: Rostow ist eine der ältesten Städte ganz Russlands, wurde aber - ähnlich wie das Bilderbuchstädtchen Susdal - nie zur Großstadt. An Kultur und Geschichte interessierte Reisende finden hier auf kleinem Raum über 300 historische Baudenkmäler.
Rostow ist so alt, dass sich seine Anfänge im Dunkel der Geschichte verlieren. Möglicherweise geht die Siedlung auf einen Handelsposten der Wikinger zurück. Als Teil des Fürstentums von Susdal und Rostow gehörte die Region die Stadt zum Kerngebiet des späteren russischen Staats. Bereits ab dem 12. Jahrhundert ging die politische Bedeutung von Rostow allmählich zurück. Die mittelalterliche Stadt wurde später von den Mongolen erobert und zerstört, aber erst 1474 Teil des Moskauer Großfürstentums.
Das beeindruckende Kreml-Areal ist deutlich jünger als die Stadt und hatte im Gegensatz zum Moskauer Kreml und anderen, ähnlichen
Anlagen von Anfang an eine ganz andere Aufgabe: Erbaut wurde das Gebäude-Ensemble nämlich erst im 17. Jahrhundert als Residenz der orthodoxen Metropoliten von Rostow und
Jaroslawl.
Allerdings wurde bereits im 18. Jahrhundert das Zentrum des orthodoxen Bistums ins größere Jaroslawl verlegt und der Kreml verfiel sogar eine Zeit lang, bis er zum Museum umfunktioniert
wurde. Angeblich hatten die Kirchenoberen sogar einem Abriss der Anlagen zugestimmt, aber örtliche Kaufleute setzten sich für den Erhalt der Anlagen ein.
Die größte Kirche auf dem Gelände, die prächtige weiße Entschlafens-Kathedrale mit ihren fünf silbernen Kuppeln (in den vergangenen Jahren aufwendig saniert), ist als
einzige deutlich älter als die restlichen Bauwerke. Sie stammt von Anfang des 16. Jahrhunderts, erinnert an die Entschlafens-Kathedrale des Moskauer Kremls und besitzt einen separaten, wesentlich jüngeren Glockenturm.
Abgesehen vom Kreml ist das touristisch interessante Zentrum von Rostow äußert kompakt und besteht aus lediglich einer Handvoll Straßen. In der Nähe befinden sich noch vier orthodoxe Klöster (s. unten). Teile des Zentrums wirken leider noch immer ein wenig verwahrlost.
Die Mauern und Türme des Kremls von Rostow dienten als Kulisse für einen der bekanntesten sowjetischen Spielfilme. Hier entstanden Teile der Kultkomödie "Iwan Wassiljewitsch wechselt den Beruf" (1973), bei dem es zwei Zeitreisende aus der Sowjetunion ins alte Russland an den Hof von Zar Iwan dem Schrecklichen verschlägt. Wie wenig sich seither verändert hat, könnt ihr auf diesem Video sehen:
Knapp zwei Kilometer südlich vom Rostower Kreml liegt direkt am Ufer de Nero-Sees eine Klosteranlage, die einen genaueren Blick verdient. Das Jakow-Erlöser-Kloster
(Spasso-Jakowlewski-Kloster) geht auf eine Gründung des später heiliggesprochenen orthodoxen Bischofs von Rostow, Jakow, aus dem 14. Jahrhundert zurück.
Die drei Klosterkirchen sind allerdings allesamt deutlich jünger. In der Sowjetzeit diente das Gelände als Lager, Anfang der 1990er-Jahren wurde es an die orthodoxe Kirche zurückgegeben.
Inzwischen macht es wieder einen recht gepflegten Eindruck. Vom Jakow-Erlöser-Kloster führt ein Fußweg direkt am See entlang zum Zentrum von Rostow und zum Kreml. Allerdings ist nur der
Blick auf den See idyllisch, auf der Landseite ziehen sich gammelige Industrieanlagen und eine Kaserne am Ufer entlang.
Rostow Weliki liegt an der Bahnstrecke, die den Jaroslawler Bahnhof in Moskau mit Jaroslawl verbindet. Ein Besuch in der Stadt ist notfalls auch als (anstrengender) Tagesausflug aus der Hauptstadt machbar, die Fahrt mit dem
Expresszug dorthin dauert zwischen zwei Stunden 40 Minuten und etwas über drei Stunden.
Am Bahnhof (Rostow Jaroslawski) stoppen auch zahlreiche Fernzüge, die Moskau über mit dem europäischen Norden Russlands und über die einstige Hauptstrecke der Transsibirischen Eisenbahn mit dem
Ural und Sibirien verbinden. Wer es darauf anlegt, könnte aus der historischen Kleinstadt sogar umsteigefrei bis nach
Wladiwostok am Pazifik fahren. Außerdem ist die Anreise mit Linienbussen der Linie Moskau-Jaroslawl möglich. Die Bahnfahrt ist aber definitiv komfortabler.
In Rostow gibt mittlerweile mehrere Hotels und eine Reihe hübsch restaurierter hölzerner Gästehäuser im alten Teil der Stadt am Nero-See. Insofern ist es auch kein Problem,
in Rostow zu übernachten.
Wer keinen übermäßigen Komfort verlangt, hatte früher sogar die einzigartige Möglichkeit, direkt im Kreml zu übernachten, und zwar in den Gemächern des "Hauses auf den Kellern"
("Dom na pogrebach") - definitiv eine der ungewöhnlichsten
Übernachtungsmöglichkeiten in Russland, die uns bislang begegnet sind. Bei unserem letzten Besuch 2021 war die Unterkunft
geschlossen - und es war nicht ganz klar, ob sie lediglich renoviert oder der Herbergs-Betrieb eingestellt wurde.
Wir fanden allerdings eine nicht weniger stilvolle Alternative - das Gästehaus des Warnitzki-Klosters wenige Kilometer westlich von Rostow (Webseite nur Russisch, buchbar auch über die gängigen Portale). Hier bekommen nicht nur fromme Pilger, sondern auch gewöhnliche Reisende ein
günstiges, sauberes Zimmer. Im Speisesaal des Klosters gibt es sehr günstige, einfache Speisen.
Aktualisiert im Januar 2022.