"Ringsum - ein wunderbarer Anblick! Die Stadt selbst - das neue Petersburg."
Kosta Chetagurow (1859-1906), Nationaldichter der Osseten
Seine Existenz verdankt Wladikawkas dem angeblichen "Erfinder" der Potemkinschen Dörfer: Fürst Grigori Potjomkin war die strategische Bedeutung dieses Ortes direkt nördlich der Kaukasus-Berge sofort klar, als er hier am Ufer des Terek-Flusses eine Festung anlegen ließ. Innerhalb von 250 Jahren wuchs Wladikawkas zu einer Großstadt mit über 300.000 Einwohnern heran, die sich jedoch mancherorts den Charme der vorrevolutionären Zeit bewahren konnte. Bislang sind Touristen in der Hauptstadt von Russlands Teilrepublik Nordossetien noch eine exotische Erscheinung. Sie stoppen hier allenfalls, wenn auf dem Weg von Russland nach Georgien der einzige Grenzübergang wegen Lawinengefahr oder nach einem Erdrutsch wieder einmal gesperrt ist. Dabei lohnt Wladikawkas durchaus einen gründlicheren Blick.
Wladikawkas bedeutet auf Deutsch so viel wie "Beherrsche den Kaukasus". Doch die Stadt hatte im Laufe ihrer verhältnismäßig kurzen Geschichte viele Name:. Von 1931 bis 1944 trug Wladikawkas zu Ehren eines georgischen KP-Funktionärs den Namen Ordschonikidse. Als der bei Stalin in Ungnade fiel, wurde die Stadt 1944 in Anlehnung an den ossetischen Stadtnamen in Dsaudschikau ("Dsaugs Siedlung") umbenannt. Ab 1954 mussten die Bewohner erneut mit dem Namen Ordschonikidse leben, 1990 erfolgte dann Rückbenennung zum historischen Wladikawkas.
Wladikawkas liegt nicht weit von der russisch-georgischen Grenze entfernt - am Anfang der legendären Georgischen Heerstraße, einer landschaftlich grandiosen Route, die Russland mit der georgischen Hauptstadt Tiflis (Tbilissi) verbindet. In den Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion verirrten sich kaum Ausländer nach Nordossetien: Erst war die Teilrepublik Schauplatz eines bewaffneten Konflikts zwischen den mehrheitlich christlichen Osseten und der großen Minderheit der muslimischen Inguschen. Dann wurde die Region wegen des nahen Tschetschenienkrieges unsicher, die Grenze zu Georgien war über Jahre hinweg entweder nur für Bürger der GUS-Staaten geöffnet oder sogar komplett geschlossen. In der Stadt leben heute überwiegend ethnische Osseten, die aber im Alltag nicht alle das mit Persisch verwandte Ossetisch sprechen.
Inzwischen kann Wladikawkas wieder problemlos besucht werden. Für die Umgebung gilt es aber, sich genau zu erkundigen: In Nordossetien gibt es nach wie vor eine ganze Reihe von Territorien, die für Ausländer nur mit Sondererlaubnis zugänglich sind, auch außerhalb der unmittelbaren Grenzzone.
Der rund einen Kilometer lange Friedens-Prospekt "Prospekt Mira" ist die zentrale Flaniermeile von Wladikawkas, die bekannteste Visitenkarte der Stadt und eine der ältesten Fußgängerzonen der früheren Sowjetunion. Bereits vor über 50 Jahren wurden alle Autos von dem Boulevard verbannt. Lediglich Straßenbahnen dürfen hier noch verkehren. Auf beiden Seiten reiht sich ein Baudenkmal aus der vorrevolutionären Zeit an das andere, fast sämtliche Bauwerke entlang der Straße stehen unter Denkmalschutz, darunter das noble Hotel "Imperial" und das nordossetische Kunstmuseum. Auch das Nationalmuseum der Republik befindet sich hier in einer alten Stadtvilla. Bei gutem Wetter empfiehlt es sich, eine Bekanntschaft mit der Straße am Nordende zu beginnen und dann nach Süden zu laufen - dann hat man als Spaziergänger die ganze Zeit über das dramatische Panorama der Kaukasus-Gipfel vor seinen Augen.
Das zweifellos schönste Bauwerk von Wladikawkas steht direkt am Ufer des Terek. Der aserbaidschanische Ölmagnat Murtuza Muchtarow hatte hier Anfang des 20. Jahrhunderts den Glaubensbrüdern in der Stadt eine Moschee spendiert. Erbaut wurde sie nach Plänen des polnischen Architekten Józef Płoszko, der in den Jahren um 1900 auch das Stadtzentrum der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku maßgeblich prägte. Die Sunnitische Moschee (auch Muchtarow-Moschee genannt) wurde im Oktober 1908 eröffnet. In der Sowjetzeit war bereits ihr Abriss beschlossen worden, ein muslimischer Offizier soll die Moschee mit der Waffe in der Hand und gemeinsam mit seinen Untergebenen eigenmächtig verteidigt haben, bis sie unter Denkmalschutz gestellt wurde. Heute ist sie wieder Versammlungsort der örtlichen Muslime. Leider wurde "das" Postkartenpanorama von Wladikawkas mit Moschee und Bergen vor einigen Jahren durch ein fürchterliches neues Hochhaus verschandelt. Der wunderbar verzierte Gebetsraum der Moschee kann besichtigt werden, war aber im Frühjahr 2018 wegen Renovierungsarbeiten komplett eingerüstet.
"Tschaichana" ist in Mittelasien und Aserbaidschan der Begriff für Teehäuser, in denen es aber nicht nur Tee zu trinken, sondern auch etwas zu essen gibt. Das "Teehaus Lookoom" am zentralen Friedens-Prospekt ist ein ganz vorzüglicher Vertreter dieser Branche. Serviert wird eine Mischung aus kaukasischer, mittelasiatischer und hypermoderner Hipster-Küche. Die Preise liegen über dem Durchschnitt der Region, sind aber mehr als angemessen. Auch Vegetarier kommen hier auf ihre Kosten. Außerdem gibt es im "Lookoom" eine Reihe ausgefallener Rabattaktionen. So bietet das Restaurant an manchen Wochentagen Rabatt für alle Kunden mit einem bestimmten Mindestgewicht.