Legenden über die Wunder, die an diesem Ort geschehen sein sollen, sind in ganz Russland bekannt: Die Gottesmutter Maria höchstpersönlich soll einem Mönch namens Kyrill vor etwas mehr als 600 Jahren die Anweisung gegeben haben, an einem See ein Kloster zu gründen. Das Kirillo-Beloserski-Kloster wurde schnell zu einem der wohlhabendsten und mächtigsten im Reich der Moskowiter - und zum wichtigsten geistlichen Zentrum im Norden von Russland. Selbst die Moskauer Herrscher pilgerten an diesen Ort, weil sie sich von den wundertätigen Mönchen Zuspruch und Hilfe erhofften. Nach der Oktoberrevolution verstaatlicht und in ein Museum umgewandelt üben sich Kirche und Museumsleute seit rund 20 Jahren in friedlicher Koexistenz.
Von Anfang an diente das 1397 gegründete Kloster als Moskauer Vorposten entlang der Handelswege zum Weißen Meer. Unter den Moskauer Großfürsten genossen die Nachfolger des heiliggesprochenen Kyrill zahlreiche Privilegien, die dazu beitrugen, dass ein grandioses, befestigtes Gebäudeensemble entstand. Riesige Ländereien und zeitweise mehr als 600 Dörfer unterstanden dem Abt. Um das Kirillo-Beloserski-Kloster ranken sich unzählige Mythen: So soll der Kreml-Herrscher Wassili III. 1552 mit seiner Frau hierher gepilgert sein, weil das Fürstenpaar keinen Thronfolger zur Welt brachte. Die Gebete wurden erhört - und Prinz Iwan (der Schreckliche) erblickte das Licht der Welt.
In der Zeit nach der Machtübernahme von Peter dem Großen verlor das Kirillo-Beloserski-Kloster allmählich seine führende Rolle, nach der Oktoberrevolution wurde der Abt erschossen, die Kirche
enteignet und das Klostergelände in ein Architekturmuseum umgewandelt. Zur 600-Jahr-Feier des Klosters erhielt das orthodoxe Bistum einen Teil des Geländes zurück.
Heute liegt um das Kloster herum die Kleinstadt Kirillow mit knapp 8.000 Einwohnern. Die Stadt ist mit dem Überlandbus von der 130 Kilometer entfernten Gebietshauptstadt Wologda aus zu
erreichen. Die allermeisten der jährlich über 200.000 Touristen kommen allerdings mit dem Schiff. Nahezu alle Flusskreuzfahrtschiffe auf der Route zwischen Moskau und Sankt Petersburg stoppen hier.
In der Umgebung gibt es eine Reihe weiterer sehenswerter altrussischer Klöster, darunter das Auferstehungskloster von Goritsy - direkt neben dem Schiffsanleger - sowie rund 20 Kilometer
nordöstlich von Kirillow das Kloster Ferapontow, das wegen seiner einmaligen Fresken von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Das eng getaktete Programm der Reisegruppen lässt aber
meist keine Zeit für diese beiden Orte.
Das gesamte Klostergelände ist von einer mächtigen, mit eindrucksvollen Türmen ausgestatteten Wehrmauer umgeben. Das dahinter liegende Klosterareal teilt sich in die sogenannte "Alte Stadt" und die "Neue Stadt" auf. Abgesehen von Mauern und Türmen liegen fast alle Baudenkmäler in der "Alten Stadt", die Besucher durch das "Heilige Tor" mit der Kirche des Heiligen Johannes von der Leiter betreten. Im Zentrum des Klosters steht die prächtige Auferstehungs-Kathedrale, die 1496 oder 1497 an der Stelle der ersten hölzernen Klosterkirche erbaut wurde. In ihrem Inneren kann wieder die fast komplett erhaltene Ikonenwand aus dem 18. Jahrhundert bestaunt werden. Nach der Revolution war ein Großteil der Ikonen in die führenden Museen Russlands gebracht worden, darunter ins Russische Museum nach Sankt Petersburg und in die Moskauer Tretjakow-Galerie. Seit 2009 befinden sich die einzigartigen Heiligenbilder wieder an ihrem eigentlichen Bestimmungsort. In direkter Nachbarschaft zur Kathedrale liegt der große längliche Bau des Refektoriums, in dem die Mönche in alten Zeiten zu speisen pflegten. Durch ein Tor hinter dem Gebäude gelangen Touristen ans Ufer des Siwerskoje-Sees.