"In 15 Minuten sind die Russen auf dem Kurfürstendamm. Sie lassen ihre Panzer im Parkhaus stehen und wollen im Cafe Kranzler die Sahnetörtchen sehen."

Udo Lindenberg (*1946) - deutscher Panikrocker, in "Russen"

 

 

Russische Orte in Deutschland -

Auf den Spuren von Prinzessinnen und Feldherrn

Die bewegte deutsch-russische Geschichte hat auch in Deutschland mancherorts ihre Spuren hinterlassen, die deutlich machen, wie nah sich beide Länder trotz aller Fremdheit immer waren. Um orthodoxe Zwiebeltürme und imposante Weltkriegs-Mahnmale zu sehen, muss niemand nach Russland reisen. In Zeiten, in denen das Geld knapp ist oder Russland-Reisen aufgrund von Seuchen wie der Coronavirus-Pandemie undurchführbar sind, gibt es immer noch einen Ausweg: Zwischen Rhein und Oder lässt sich eine ganze Reihe ziemlich "russischer" Orte auftun, die die Wartezeit bis zur nächsten Russland-Reise verkürzen. 

Vrubel "Mein Gott, hilf mir, diese tödliche Liebe zu überleben" an der Mauer in Berlin East Side Gallery
Dmitri Wrubels berühmtes Bruderkuss-Gemälde schmückt bis heute ein Überbleibsel der Berliner Mauer

Im Laufe der Geschichte kamen immer wieder Menschen aus Russland nach Deutschland -  als Eroberer, als Befreier, als Emigranten oder Spätaussiedler. 

Inschrift an der russisch-orthodoxen Kirche Leipzig
Inschrift an der russisch-orthodoxen Gedächtniskirche in Leipzig

Keineswegs nur auf dem Gebiet der ehemaligen DDR finden sich viele Spuren davon. Auch am entgegengesetzten Ende der Republik, wo in den Fürstenhäusern einst russische blaublütige Bräute hoch im Kurs waren und in den großen alten Kurorten findet sich viel Russisches. 

 

Wer sich auf die Spurensuche macht, bekommt eine Ahnung davon, wie eng und wie gut die Beziehungen zwischen den Ländern die meiste Zeit waren. Bevor Russen und Deutsche in zwei Weltkriegen in erbitterte Feindschaft zueinander gerieten, waren sie lange auch Bündnispartner - etwa beim Kampf gegen Napoleon.

Im folgenden nun eine kleine Zusammenstellung "russischer" Ausflugs- und Reiseziele in Deutschland. Noch mehr Inspirationen gibt es auf der Webseite des Kulturportals Russland.


Bad Ems - Wo Zaren und Dichter kurten

Russische Kirche am Ufer der Lahn in Bad Ems
Am Lahnufer in Bad Ems

Die bezaubernde Kleinstadt Bad Ems an der Lahn ist zweifellos einer der "russischsten Orte" der Bundesrepublik - und einer der sympathischsten noch dazu. Der einst noble Kurort im heutigen Bundesland Rheinland-Pfalz zog im 19. Jahrhundert alle an, die in Europa Rang und Namen hatten. Hier trafen sich Königsfamilien, Dichter und Denker aus den Ländern des alten Europa, linderten ihre Leiden, bummelten die Kurpromenade entlang und verprassten ihr Geld im örtlichen Casino.

 

Ein guter Teil der Besucher stammte aus dem Russischen Reich: Daran erinnern Gedenktafeln für illustre Gäste wie Gogol und Dostojewski, das ehemalige Hotel "Russischer Hof" und die orthodoxe Kirche. Im Zentrum hat man nicht nur Kaiser Wilhelm I., sondern auch Russlands Zar Alexander III. ein Denkmal gesetzt - sogar frische Blumen legt irgendjemand dort ab. Und abgesehen von all dem russischen Flair ist die Stadt und ihre Umgebung einfach ein wunderschönes Ausflugs- oder Reiseziel. Durch die Hügel der Umgebung führen unzählige schöne Wanderwege.


Berlins sowjetische Ehrenmale - Letzte Ruhe für Rotarmisten

Sowjetisches Ehrenmal im Treptower Park
Sowjetisches Ehrenmal im Treptower Park

In Ostdeutschland erinnern bis heute viele Gedenkstätten an die Soldaten der Roten Armee, die 1945 in den letzten Monaten des Weltkriegs auf deutschem Boden umkamen. Die mit Abstand größte und eindrucksvollste Anlage befindet sich im Treptower Park im Südosten Berlins. Zentraler Blickfang der bereits 1949 eingeweihten Anlage ist das zwölf Meter hohe und 70 Tonnen schwere Denkmal eines Sowjetsoldaten, der mit einem gesenkten Schwert auf den Trümmern eines Hakenkreuzes steht und ein gerettetes Kind auf dem Arm hält. Es kursieren verschiedene Versionen darüber, wer dem Bildhauer Jewgeni Wutschetitsch bei der Gestaltung posierte. Der Künstler entwarf später auch das Monumentaldenkmal der Muter Heimat am Schauplatz der Schlacht von Stalingrad. Zu DDR-Zeiten fanden im Treptower Park diverse staatliche Großveranstaltungen statt. Rund 7.000 Rotarmisten fanden hier ihre letzte Ruhe.


Auf dem Territorium der Stadt Berlin befinden sich mehrere weitere sowjetische Kriegsgräber. Am bekanntesten ist das Ehrenmal nahe des Reichtags und des Brandenburger Tors an der Straße des 17. Juni. In den Jahrzehnten des Kalten Krieges befand es sich im britischen Sektor der Stadt und und bildete damit eine Art sowjetische Enklave im Westteil der Stadt.


Neroberg Wiesbaden - Erinnerung an eine deutsch-russische Liebe

Russische Kirche Wiesbaden
Die russische Kirche auf dem Neroberg

Auch Hessens Landeshauptstadt Wiesbaden hat Russophilen viel zu bieten - allem voran die älteste russisch-orthodoxe Kirche Westeuropas. Im Jahr 1844 ehelichte der Herzog Adolph von Nassau die russische Großfürstin Elisabeth Michailowna, eine Nichte des russischen Zaren. Ungewöhnlich für damalige Verhältnisse handelte es sich tatsächlich um eine Liebesheirat. Allerdings endete die Ehe nach kurzer Zeit tragisch, weil die gerade einmal 18-jährige Herzögin bei der Geburt ihres ersten Kindes starb. Für die Mitgift aus Russland ließ Adolph eine Grabkapelle am nördlichen Ende der Stadt bauen. Stadtbaumeister Philipp Hoffmann wurde extra ins Zarenreich entsandt, um sich für den Bau inspirieren zu lassen. Besonderen Eindruck auf den Architekten machte dabei die Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale. Die russische Kircheauf dem Wiesbadener Neroberg ist von Weitem zu sehen.

 

In der Stadt selbst gibt es einige andere Orte mit Russland-Bezug. So verbrachte der Künstler Alexej von Jawlensky die letzten 20 Jahre seines Lebens in der Stadt. Das Museum Wiesbaden verfügt über die weltweit bedeutendste Sammlung mit Werken des Expressionisten.


Mathildenhöhe Darmstadt - Russen-Flair und Jugendstil

Mathildenhöhe mit Hochzeitsturm und Maria-Magdalena-Kirche
Einmaliges Architektur-Ensemble - Die Mathildenhöhe in Darmstadt

Noch ein ziemlich russischer Ort befindet sich in Hessen: Dass auch die Mathildenhöhe in Darmstadt mit einer beeindruckenden russischen Kirche aufwarten kann, liegt daran, dass auch deutsche Prinzessinnen nach Russland verheiratet wurden. Alix von Hessen-Darmstadt wurde als Alexandra Fjodorowna die Frau des russischen Thronfolgers und späteren Zaren Nikolaus II. Damit das Herrscherpaar bei seinen Aufenthalten in Alexandras alter Heimat einen Ort zum Gebet hatte, baute Leonti Benois auf eigens herangeschaffter russischer Erde die kleine, aber prächtige Kirche der Heiligen Maria Magdalena. Seit 1899 blieb sie stets Blickfang inmitten des einmaligen Jugendstil-Ensembles. Nach der Oktoberrevolution und erneut nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie zudem zu einem Zentrum russischsprachiger Emigranten aus dem Rhein-Main-Gebiet. 


Technik-Museum Speyer - Relikte der sowjetischen Weltraumfahrt

Buran Technik Museum Speyer
Eine Buran-Raumfähre in Speyer

Das Technik-Museum in Speyer (Webseite) ist schon ein Paradies für alle, die sich für Autos und Flugzeuge begeistern. Aber Weltraum-Fans werden sich erst recht vorkommen wie im Siebten Himmel. Offiziell handelt es sich um eine Filiale des nicht weniger imposanten Technik-Museums im badischen Sinsheim. Auf mehr als 100.000 Quadratmetern werden Objekte ausgestellt, die nicht mehr auf das ursprüngliche Territorium passten.

Die spektakuläre Sammlung umfasst viele Exponate aus der Sowjetunion, darunter einen Prototyp der sowjetischen Raumfähre "Buran" und die Sojus TM-19-Kapsel , mit der Ulf Merbold 1994 von einem Aufenthalt auf der Raumstation Mir wieder auf die Erde zurückkehrte. Außerdem gibt es eine Antonow-22-Transportflugzeug und mehrere sowjetische Hubschrauber zu bestaunen. Wem das alles nicht reicht, der findet in Sinsheim auch noch ein Exemplar der legendären sowjetischen Überschall-Passagiermaschinen vom Typ Tupolew-144.


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Kommentare: 2
  • #2

    Karsten (Samstag, 26 November 2022 18:13)

    Danke für das Feedback. Zerbst gehört natürlich eigentlich auch in die Reihe!

  • #1

    Hans-R. Biermann (Mittwoch, 02 November 2022 21:09)

    E-Mail: hansrbierm@googlemail.com
    Sehr geehrter Herr Packeiser,
    mit Interesse in Ihrem "Rhein-Wolga-Kanal" gestöbert. Ein Vorfahr war Hofprediger in Zerbst, konfirmierte dort eine Sophie, die als Katharina Kaiserin von Rußland wurde und ihm 25 Jahre später eine goldene Uhr mit ihrer Haarlocke darin dedizierte. Leider hat meine Großmutter die Uhr nach 1945 in Lebensmittel umgewandelt.
    Aufmerksam machen möchte ich Sie auf die letzte Fürstin Metternich, in Petersburg geborene Fürstin Tatjana Wassiltschikowa, deren Bücher (zB "Keime der Hoffnung - das wahre Russland") durchaus lesenswert sind.
    Seien Sie gegrüßt aus Berlin von Hans-R. Biermann

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