Es ist ja nicht so, dass es in Russland nicht schon jede Menge bizarrer Verbote geben würde: Synthetische Spitzenunterwäsche ist verboten, das Reiten auf den Moskauer Flughäfen auch. Der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit kann zu einer saftigen Geldstrafe führen, und Medien, die über in Russland verbotene Organisationen wie den IS berichten, ohne jedes Mal das Verbot zu erwähnen, riskieren ihre Lizenz. Jetzt bekommt die Liste der in Russland verbotenen Dinge einen weiteren Eintrag: Banken, die Geld wechseln, dürfen künftig nicht mehr auf der Straße ihre aktuellen Wechselkurse anschlagen. Präsident Putin setzte mit seiner Unterschrift eine entsprechende Gesetzesänderung in Kraft, berichtete die "Iswestia".
Die offizielle Begründung für den Schritt ist ähnlich seltsam wie die Maßnahme selbst.
Die Zentralbank hatte sich für das Verbot starkgemacht, weil sie damit illegalen Wechselstuben das Handwerk legen will. Mit den Wechselkurstafeln würden arglosen Kunden in die
Geldwechselstellen gelockt, wo sie leicht Opfer von Betrügern werden könnten.
Nach der Wende herrschte in Russland tatsächlich ein unglaublicher Wildwuchs an versifften Wechselstuben. Längst nicht hinter allen Geldwechsel-Schaltern standen seriöse Unternehmen. Beliebt war der beispielsweise der Trick, den Kunden einfach weniger Scheine
auszuzahlen als auf der Quittung angezeigt. Wer sich nicht sofort beschwerte, hatte dann das Nachsehen. Immer wieder gern genutzt wurde auch die Masche, auf der Straße einen anderen Kurs
anzugeben, als im Kassenraum. Oder aber der gute, auf der Straße angezeigte Wechselkurs galt nur für astronomisch hohe Umtauschsummen.
Seit vielen Jahren gilt daher die Regel für alle Russland-Besucher, insbesondere für Neulinge: Ausländer sollten Geld nur in seriösen Banken umtauschen - auch, wenn sie ein paar Kopeken
weniger pro eingetauschtem Euro erhalten. Noch einfacher ist es, am Automaten Rubel abzuheben oder mit Kreditkarte zu zahlen.
Psycho-Tricks gegen den Dollar
Seit einigen Jahren findet nun tatsächlich so etwas wie eine Kontrolle der Wechselstuben statt und viele dubiose Firmen sind aus dem Straßenbild verschwunden. Wie das Verbot die verbliebenen
Probleme lösen soll, bleibt etwas schleierhaft, zumal zunächst umstritten blieb, ob die Wechselkurse denn im Inneren der Wechselstelle hinter einer Glasscheibe angezeigt werden dürfen.
Allerdings spielt der aktuelle Wechselkurs von Dollar und Euro für viele Russen noch immer eine wichtige Rolle im Alltag - ganz anders, als beispielsweise in Deutschland, wo sich meist nur
USA-Reisende oder Heizölkäufer für aktuelle Devisenkurse interessieren. In Russland lösten Kursschwankungen in der Vergangenheit immer wieder sprunghafte Preisanstiege bei allen Importwaren
und in extremen Fällen Hamsterkäufe aus - oder eben einen Ansturm auf die nächstgelegenen Wechselstellen.
Der öffentliche Wechselkurs-Bann soll nun wohl in erster Linie eine psychologische Wirkung haben. Wer weniger oft mit dem fallenden Wert des russischen Rubels konfrontiert wird, macht sich weniger Gedanken über Krise oder die eigenen Ersparnisse - das ist wohl die Logik hinter der der Geschichte.